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Anklage gegen Atommanager

■ Landgericht Hanau erhebt Anklage gegen ALKEM–Geschäftsführer und hessische Beamte

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Staatsanwaltschaft am Landgericht Hanau hat gestern - nach fast zwei Jahren Ermittlungsarbeit - Anklage gegen die Geschäftsführer der Plutoniumfabrik ALKEM und gegen die Steger– Mitarbeiter Thurmann, Frank und Frau Hecker erhoben. Die Herren Warrikoff (CDU– MdB) und Stoll werden beschuldigt, eine Atomanlage unerlaubt betrieben und damit gegen den Paragraphen 327 Strafgesetzbuch verstoßen zu haben. Den Atommanagern droht - nach § 327 - eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, sollte das Landgericht Hanau den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechen. Thurmann, Frank und Frau Hecker, alle hochkarätige, langjährige Mitarbeiter im hessischen Ministerium für Wirtschaft und Technik, stehen dagegen wegen „Beihilfe zum illegalen Betrieb einer atomaren Anlage“ unter Anklage. Ulrich Thurmann ist Leiter der Atomabteilung im Ministerium, Herrmann Frank sein Stellvertreter. Frau Dr. Hecker zeichnet als Ministerialdirigentin und „Referentin“ der Abteilung „Genehmigungsverfahren für Kernanlagen“ verantwortlich. Das „Atomtrio“ im Steger–Ministerium hatte u.a. als Genehmigungs–und Aufsichtsbehördenvertretung die zahlreichen Erörterungstermine zu den Hanauer Nuklearfabriken „gestaltet“. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Auslöser für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die ALKEM–Geschäftsführer und gegen die Behördenvertreter war eine Strafanzeige des Hanauer Weinhändlers Gerhard Ziegler, Mitglied der dortigen „Initiativgruppe Umweltschutz“. Im Zuge der Ermittlungen wurden noch im Dezember 84 bei der ALKEM Akten beschlagnahmt. Danach - im Februar 85 - durchsuchte die Staatsanwaltschaft auch die Atomabteilung des Steger–Ministeriums. Dabei müssen Fahnder der Hanauer Staatsanwälte auf Frau Hecker „gestoßen“ sein, denn gegen die „Referentin“ hatten die Hanauer keine Anzeige erstattet. Ende März 85 „schob“ dann die Bürgerinitiative eine zweite Strafanzeige gegen die Brennelementefabrik NUKEM nach, in der gleichfalls die Herren Thurmann und Frank der „Beihilfe zum Betreiben einer illegalen Anlage“ bezichtigt wurden. Obgleich ALKEM–Pressesprecher Rainer Jend eingestehen mußte, daß die Firma noch keinerlei Kenntnis vom Inhalt der Anklageschriften habe, wies Jend die während des Ermittlungsverfahrens bekannt gewordenen Vorwürfe unisono zurück: „Wir haben bereits mehrfach dargelegt, daß wir - nach unserer Auffassung - unsere Anlage aufgrund rechtsgültiger Genehmigungen betreiben.“ Zur Anklageerhebung gegen Thurmann, Frank und Hecker mochte sich Jend nicht äußern. Stegers Pressesprecher Reinhart Raak verwies gegenüber der taz darauf, daß - „sollten bereits Anklageschriften vorliegen“ - diese zunächst den Betroffenen selbst zugestellt worden seien und nicht dem Minister. Raack: „Wir werden uns am Montag dazu äußern.“ Anders bewertet dagegen Kern von den Grünen im Landtag die Anklageerhebung: „Wenn wir in Hessen alleine zu entscheiden hätten, dann wäre der Atomsumpf in Hanau bereits trockengelegt.“

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