Die IG–Metall in Kampflaune

■ Auch Metaller wollen sich nicht mehr aussperren lassen / Mobilisierung für Arbeitszeitrunde 1987 / Plädoyer für „kämpferische Mitmenschlichkeit“ / Janßen reißt die Delegierten mit

Aus Hamburg Martin Kempe

In der Industriegewerkschaft Metall bahnt sich ein Bruch mit hundertjähriger gewerkschaftlicher Tradition an. „Um den Bahnhof zu stürmen“, rief ein Redner während der Debatte um die Geschäftsberichte der Vorstandsmitglieder während des Hamburger IGM–Kongresses am Dienstag, „haben wir nicht die Zeit, vorher eine Bahnsteigkarte zu lösen“. Nach dem dramatischen Auftakt des Gewerkschaftstages hat sich der Kongreß am Dienstag seinen Alltagsgeschäften zugewandt. Und da steht die im Frühjahr 87 anstehende Arbeitszeitrunde ganz oben auf der Themenliste. Am Montag hatte das für Tarifpolitik zuständige Vorstandsmitglied Hans Janßen für seinen kämpferischen Auftakt für 1987 rauschenden Applaus geerntet. Janßen, der seit Jahren mit dem designierten IGM–Chef Steinkühler durch innige Rivalität verbunden ist, versteht es wie kein anderer, die Gefühle der Metallgewerkschafter anzusprechen. Möglich, daß die IG–Metall - wie auch die IG Druck und Papier - in künftigen Tarifauseinandersetzungen auf kalte oder heiße Aussperrung offensiver antwortet als bisher. „Ob wir das dann Betriebsbesetzungen nennen oder bei Aussperrung am Arbeitsplatz bleiben, was solls?“ rief Janßen unter dem Jubel der Delegierten. Unmißverständlich stellte Janßen klar, daß die IG Metall bei künftigen kalten Aussperrungen keine Unterstützung an die Ausgesperrten zahlen wird, daß sie also die Verschlechterung ihrer Kampfbedingungen durch die Änderung des Paragraphen 116 Arbeitsförderungsgesetz durch verstärkte Mobilisierung auffangen will. Hans Janßen favorisiert den Sieben–Stunden– Tag als „entscheidende Form der Arbeitszeitverkürzung“, will dies allerdings nicht verbindlich festschreiben. Als Grenze für jede Flexibilisierung nannte er früher erkämpfte, „bewährte Errungenschaften“: den Acht–Stunden– Tag, das freie Wochenende und den Zwei–Monatsraum, in dem sich Schwankungen der Wochenarbeitszeit wieder zur wöchentlichen Normalarbeitszeit ausgleichen müssen. Trotz der feurigen Janßen– Rede besteht in der Organisation noch Unsicherheit über die Kampfstrategien für das nächste Jahr. Der Bochumer Delegierte Ludger Hinse betonte jedenfalls mit deutlicher Anspielung auf den künftigen Ersten Vorsitzenden: „Es bereitet mir Sorge, daß sich in der Organisation der Glaube breitmacht, alles sei organisierbar, planbar, machbar.“ Die Gewerkschaft lebe vor allem von „kämpferischer Mitmenschlichkeit“.