„Ich bin der Ministerpräsident für alle Bayern“

■ Erste Plenarsitzung im bayerischen Landtag / Grüne stellen vier Anträge zur Geschäftsordnung und fordern Ausschüsse für Frauen und Frieden / Strauß mit gleicher Stimmenzahl wie vor vier Jahren gewählt / Zwei weitere grüne Anträge gegen WAA

Aus dem Landtag L. Koch

München (taz) - „Moskau“, schreit einer der CSU–Landtagsabgeordneten aus den hinteren Reihen. Hinter dem Rednerpult im Plenarsaal des bayerischen Landtags steht bei dieser ersten Sitzung der grüne Landtagsabgeordnete und Fraktionssprecher Hartmut Bäumer (38) und begründet die ersten von der Grünen– Fraktion gestellten Anträge. Da in den Ausschüssen wesentliche Entscheidungen gefällt werden, fordert die 15köpfige grüne Fraktion eine Minderheiten–freundlichere Sitzverteilung bei den Ausschüssen sowie die Schaffung zweier neuer Ausschüsse, nämlich einen Frauenausschuß sowie einen Ausschuß für regionale und lokale Friedenspolitik. Auch einen zusätzlichen Vizepräsidentenposten reklamieren sie für sich. „Und im übrigen bin ich der Meinung, daß von unserem Boden alle Atomwaffen zu verschwinden haben“, schließt der Arbeitsrichter und „Friedensbewegte“ Bäumer seine Rede. Nicht genug beeilen kann sich der SPD–Fraktionsvorsitzende und angeschlagene Spitzenkandidat Karl Heinz Hiersemann danach festzustellen, „daß der Kollege Bäumer nur das aufgreift, was wir schon lange gefordert haben“. Trotzdem fliegen die Hände von SPD und CSU gemeinsam wie auf Absprache in die Höhe, als es darum geht, den Antrag nach einem weiteren Vizepräsidentenposten niederzustimmen. Schließlich wird der „verabschiedete“ SPD–Fraktionsvorsitzende Helmut Rothemund neben dem „alten und neuen“ Landtagspräsidenten Franz Heubl (CSU) zum Vizepräsidenten gewählt. Die weiteren Anträge werden an die Ausschüsse überwiesen. Ansonsten scheint man an diesem ersten Sitzungstag im bayerischen Landtag eher auf Harmonie bedacht. Die strittige Platzfrage, ob die Grünen–Fraktion nun wirklich an den linken Rand unter der Pressetribüne gedrängt werden soll, führt nicht zum Eklat. Zwar bleiben die Grünen erst einmal in der Mitte stehen und die SPDler rücken auch bereitwillig nach links, doch auf ein Machtwort Heubls setzt man sich doch nach „linksaußen“. Farbe bringen an diesem Tag nicht nur die Grünen - überall auf ihren Bänken liegen die obligatorischen Sonnenblumen - ins Parlament. Blumenbuketts schmücken auch das Rednerpult und die noch leeren Ministerbänke. Selbst Ministerpräsident Strauß geht nicht leer aus. Von der grünen Abgeordneten Ulrike Wax–Wörner bekommt er einen Strauß überreicht. „Warum haben die Blumen denn die FDP–Farben gelb–blau?“ versucht der Ministerpräsident abzulenken, als ihm von Bäumer, der es schaffte, eines der Päckchen mit verstrahltem Heu in den Landtag zu schmuggeln, überreicht wird. Um auf die Gefahren der Verfütterung dieses verstrahlten Heus hinzuweisen, war ursprünglich geplant allen Abgeordneten ein solches „brisantes“ Paket auf den Tisch zu legen. Doch die Münchner Polizei machte den Grünen einen Strich durch die Rechnung und beschlagnahmte die Heufuhre. Aus seiner Einstellung zur Atomenergie macht Strauß auch bei diesem ersten grünen „small–talk“ keinen Hehl. Ob die Grünen wohl Strom im Handbetrieb gewinnen wollten, deutet er mit einer Geste an und rudert mit den Armen. „Übernehmen Sie sich nicht in Ihrem Alter“, scherzt Bäumer. Blumen und Paket bleiben nicht die einzigen „grünen Präsente“. Nach seiner vorhersehbaren Wiederwahl drückt der fränkische Grüne Hans–Günther Schramm dem Ministerpräsidenten „für alle Bayern“ eine Rolle mit über dreitausend Unterschriften gegen Atomwaffen und die WAA in die Hand. Konkreteres hatten die Grünen dann auf ihrer anschließenden Pressekonferenz vorzustellen. In einer Anfrage an das Umweltministerium will der Oberpfälzer Chemieprofessor Armin Weiß wissen, ob eine Untersuchung aus dem Landwirtschaftsministerium, nach der die radioaktive Belastung bei maschineller Ernte um das Vierfache steigt, bei der ersten Teilerrichtungsgenehmigung zur WAA mitberücksichtigt sei. „Wenn ja, bis wann kann mit der Rücknahme der 1. TG gerechnet werden?“ so Weiß.