P O R T R A I T Herzlichen Pechwunsch?!

■ Die taz gratuliert Franois Mitterrand zu seinem 70. Geburtstag

Kein Zweifel, der Moment ist gekommen, dem Monarchen zu gratulieren. Auch wenn er selbst von diesem Tag kein Aufheben machen möchte - wie sein verschmähter Kollege Ronald Reagan dazumal. Uns hat er nicht eingeladen, aber wir werden nicht umhin kommen, seine Zukunft zu preisen. Hat doch dieses Jahr - 1986 - die wahren Künste des Meisters wieder exemplarisch offenbart. Zugegeben, seine Macht hat er in diesem Jahr, nach dem rechten Wahlsieg bei den Parlamentswahlen, weitgehend verloren. Doch gleichzeitig stellte sich ein wundersames, bei genauerem Hinsehen aber kaum verwunderliches Phänomen ein: Je besser die neue Regierung sich einrichtete, je mehr er also an Macht verlor, desto höher stieg seine Popularität in allen Umfragen. Dann aber kamen die Pariser Bombenattentate im September, und er geriet unter dem Krisenmanagement seines Premierministers völlig ins Hintertreffen. Heute ist er so beliebt wie seit fünf Jahren nicht mehr. Fast 60 Prozent der Franzosen, so sagen nun die Meinungsforscher, sind mit ihm zufrieden. Der populärste Politiker Frankreichs kann morgen vergnügt feiern. Denn das Wesentliche seiner Zeit hat er wohl besser als die meisten begriffen, hat er sie doch mehr als jeder andere mitgeformt. Nachdem die ewige Rechts–Links–Polarisation der französischen Politik zerbröckelt war, nachdem alle Hoffnungen und Erwartungen an die Linke getilgt waren, hat die Franzosen die Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Politik im allgemeinen überkommen. In Frankreich ist ein kleines Taschenbuch zum Bestseller geworden, es nennt sich: „Auf daß der Beste verliert“, und meint die Politiker. Wollen wir wetten, er hat es gelesen! Nun hat der Monarch in diesem Jahr aber auch einiges selbst zu seinem heutigen Glück beigetragen, sonst wäre er ja kein Meister. Seine TV–Shows im Wahlkampf, die zeigten, daß ein Monarch auch modern sein kann, machten den Sieg der Rechten knapp, zu knapp, um einen rechten Wahlsieg bei den regulär im Mai 1988 stattfindenden entscheidenden Präsidentschaftswahlen vorwegzunehmen. Und mehr konnte er gar nicht wollen. So machte er Jacques Chirac zum Premierminister und damit bestplazierten rechten Präsidentschaftsanwärter. Er gab ihm einen Vorsprung vor seinen rechten Konkurrenten. Doch wenn ein einzelner sich absetzt, zieht sich das Feld zusammen und holt auf. Schon demonstrieren die Verfolger, Raymond Barre und Valery Giscard dEstaing, Einigkeit und setzen zur gemeinsamen Jagd auf den Führer an. Er sitzt dabei auf der Tribüne und kann sich amüsieren. Schon seine erste Wahl gewann er mit dem Zwist der anderen untereinander. Eingreifen ins Spiel, das hat er gerade verkündet, will er so schnell nicht. Er sagte es fast beiläufig, auf einer seiner Reisen in die Provinz, daß er seine erneute Kandidatur bis zum Zeitpunkt der Wahl offen lassen werde. So läßt er alle im Ungewissen. Kein französischer Präsident der V. Republik hat es je geschafft, wieder gewählt zu werden. Will er das scheinbar Unmögliche versuchen? Zugegeben, seine Chancen stehen heute nicht schlecht. Er kann das Datum der Wahl jederzeit vorziehen. Zudem weiß jeder um seine historischen Ambitionen, und noch ist der Begriff des Mitterrandismus nicht so geläufig wie der des Gaullismus. Und wenn es denn so käme, welch einmaliges Kunststück! Die Macht aufgeben zu können, um sie in einem auf absehbare Zeit unveränderten Kontext einer numerischen Mehrheit der Rechten wiederzuerobern. Dazu muß man eben ein Meister sein. Wir jedenfalls wissen nicht: Herzlichen Glück– oder Pechwunsch?! Georg Blume