Der Traum vom Frauen–Wahlrecht

■ SPD–Kolloquium zum Thema „Gleichstellung von Männern und Frauen im Wahlrecht“ / Befürworter einer Quotierung der Wahllisten durch gesetzgeberische Maßnahme unter den geladenen Juristen in der Minderheit

Aus Bonn Claudia Pinl

Ein der SPD nahestehender Professor lobte die Grünen: Auf dem vom SPD–Parteivorstand einberufenen Kolloquium „Gleichstellung von Frauen und Männern im Wahlrecht“ machte sich gestern der Hannoveraner Verfassungsrechtler Hans–Peter Schneider stark für das „Reißverschlußsystem“, bei dem abwechselnd eine Frau und ein Mann auf den Wahllisten erscheinen. So wird es zur Bundestagswahl von den Grünen praktiziert. Bei krasser Unterrepräsentation der Frauen (sie stellen nur knapp zehn Prozent im Deutschen Bundestag) müsse der Gesetzgeber eingreifen, so Schneider, um auch das passive Wahlrecht Wirklichkeit werden zu lassen. Das gebiete nicht nur Artikel drei des Grundgesetzes (Gleichberechtigung von Mann und Frau), sondern auch das im Grundgesetz verankerte „Repräsentativprinzip“. Schneiders Kollegen Verfassungsrechtler von anderen Universitäten sahen das ganz anders. Der Bielefelder Jurist Grimm meinte, da könne ja jeder kommen, die Alten und die Jungen, die Gesunden und die Kranken, die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber, und auf Einhaltung von Quoten bestehen.So sprach sich denn auch die Mehrheit der Expertinnen und Experten auf der Veranstaltung, die zu Ehren einer der Mütter des Grundgesetzes „Elisabeth–Selbert–Kolloquium“ benannt war, aus. Neben Professor Schneider machte sich auch die Leiterin der Hamburger Gleichstellungs–Stelle, Eva Rühmkorf, für gesetzgeberische Maßnahmen stark. Sie plädierte dafür, die volle Auszahlung der Wahlkampfkostenerstattung davon abhängig zu machen, wieviel Frauen einer Partei gewählt worden seien. Ein Vorschlag, den übrigens auch der Deutsche Frauenrat unterstützt, wie auf der Veranstaltung deutlich wurde. Allerdings gab Eva Rühmkorf auch zu bedenken, ob nicht die verfassungsrechtliche Erörterung von Veränderungen des Parteiengesetzes und des Wahlrechts nur davon ablenken soll, daß zu allererst die Parteien selbst gefordert sind. Niemand hindere sie daran, ihre Statuten dahingehend zu ändern, daß Frauen stärker oder sogar zu 50 Prozent berücksichtigt werden. Auch die auf dem Colloquium anwesenden Verfassungsrechtler hatten keine Einwände gegen Regelungen unterhalb der Gesetzesebene. Konsequent gibt es das aber bisher nur bei den Grünen. Gerhard Jahn, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD– Bundestagsfraktion, hatte sich etwas besonders Raffiniertes ausgedacht: Er will das Bundeswahlgesetz dahingehend ändern, daß die Parteien bei der Kandidatenanstellung verpflichtet werden, sich jeweils zwischen einem Mann und einer Frau zu entscheiden. Jahn möchte so bei den Parteigenossen das schlechte Gewissen fördern, wenn sie sich allzuoft für den Mann entscheiden.