Mit Angst wird Politik gemacht

■ Eine Initiative in Kalifornien, die auf Lyndon LaRouche zurückgeht, fordert Quarantäne für AIDS–Infizierte Eine Gegeninitiative brachte fast drei Millionen Dollar für ihre Kampagne zusammen

Washington (taz) - Nicht nur ihre Vertreter in den Parlamenten können die Wähler in den USA am 4. November bestimmen, an diesem Tag wird in vielen Bundesstaaten auch über Initiativen entschieden, die Bürgerinitiativen durch Unterschriftensammlungen auf die Wahlzettel gebracht haben. Unter dem knappen halben Dutzend solcher Initiativen hat besonders Proposition 64 in Kalifornien Staub aufgewirbelt. Proposition 64 wurde von einer Organisation namens PANIC entworfen. PANIC steht für „Prevent AIDS Now Committee“, und hinter PANIC steht die Organisation des Polit–Bizarros Lyndon LaRouche, der ansonsten für Atomkraftwerke, Star Wars oder gegen die kommunistische Weltverschwörung zu Felde zieht. Man könnte glauben, damit sei das Schicksal der Initiative besiegelt, doch zum einen ist es LaRouches Leuten lange Zeit gelungen, den Urheber der Kampagne im dunklen zu lassen, und zum anderen ist in Kalifornien die Politik mit der Angst ein erfolgversprechendes Unterfangen. Die Gesundheitsbehörden schätzen, daß 300.000 Kalifornier mit dem AIDS–Virus in Kontakt gekommen sind; bis Ende August gab es dort 2.796 AIDS–Tote. PANIC–Präsident Ghandhi verteidigt Proposition 64 mit dem Argument, wenn die Initiative jetzt nicht angenommen werde, müsse man in zwei Jahren über noch schärfere Maßnahmen befinden. Wenn Proposition 64 in Kalifornien Gesetz würde, müßte in Zukunft jeder, der AIDS–Antikörper im Blut hat, dem Staat gemeldet werden. Solche Personen wären von Jobs in Schulen oder in Restaurants ausgeschlossen. Darüber hinaus könnten die staatlichen Behörden AIDS–Infizierte in Quarantäne nehmen. Doch es sieht nicht nach einem Erfolg für LaRouches Angstpolitik aus. Nur 30 Prozent der Befragten unterstützen die Initiative, haben Umfragen ergeben. 30 Prozent sind noch keine Mehrheit, doch es sind erschreckend viele - ein deutlicher Hinweis auf das Klima, in dem Schwule in Kalifornien leben. Diese bittere Erkenntnis haben auch die Gegner der LaRouche–Initiative gewonnen, die fast drei Millionen Dollar in eine aufwendige Gegenkampagne investiert haben. Mittlerweile, da LaRouche in der Folge einer Anklage wegen Spendenbetrugs ins nationale Rampenlicht gerückt wurde, schreckt sein Name auch viele zuvor unentschlossene Wähler ab. Proposition 64 ist nicht die einzige umstrittene Initiative in Kalifornien. Proposition 63 fordert, Englisch zur offiziellen Landessprache zu machen. Diese Initiative, die voraussichtlich angenommen werden wird, bedeutet für die asiatischen und mexikanischen Kalifornier, daß Wahlzettel und alle bürokratischen Formulare nur noch auf Englisch abgefasst sein werden. Proposition 65 will die Gesetze gegen das unkontrollierte Produzieren und Abladen giftigen Mülls drastisch verschärfen. Eine ähnliche Initiative steht auch in Massachusetts auf dem Wahlzettel. In Oregon, dem nördlichen Nachbarstaat Kaliforniens, sollen die Wähler der Drogenhysterie ein Schnippchen schlagen: Dort verlangt Proposition 5, den Besitz von geringen Mengen Marihuana zum persönlichen Gebrauch zu legalisieren. Stefan Schaaf