Graue Eminenz im philippinischen Machtkampf

■ Der Generalstabschef Ramos ist der heimliche Gewinner im innenpolitischen Konflikt zwischen Präsidentin Aquino und Enrile / Er bleibt im Hintergrund, doch seine strategischen und personellen Forderungen werden erfüllt / Aquino kündigt härtere Gangart an

Manila (wps) - Der Generalstabschef der philippinischen Armee, Fidel (“Eddie“) Ramos, hat viele Namen: mal wird er Friedensengel genannt, mal „Mann der Mitte“, mal „der standfeste Eddie“ oder „unsere Stütze“. In letzter Zeit wird er zunehmend „Schlüssel zur Zukunft“ genannt. Ob gewollt oder ungewollt, kommt dem 53jährigen Westpoint–Absolventen bei dem derzeit auf den Philippinen stattfindenden Machtkampf zwischen Präsidentin Corazon Aquino und Verteidigungsminister Enrile eine Vermittlerfunktion zu. An Enrile binden ihn vor allem die gemeinsame Vergangenheit unter Marcos und seine Überzeugungen als Berufssoldat, doch auch an seiner Loyalität gegenüber Aquino kamen bisher keine Zweifel auf. Auf Reporterfragen, wen von beiden er im Zweifelsfall unterstützen würde, gibt er salomonische Antworten wie: „Ich bin jedermanns Freund“. Es war Ra mos, der in der vergangenen Woche versuchte, zwischen Aquino und Enrile zu vermitteln, und es war Ramos, der am meisten dabei gewann. Wie der Verteidigungsminister ist auch er seit langem mit der Zivilregierung unzufrieden, nur hatte er seine Kritik nie so offen vorgebracht. Wie Enrile hat auch er stets für eine härtere Gangart gegenüber der Guerilla plädiert, seit dem Treffen zwischen Aquino und Enrile in der vergangenen Woche ist sie offizielle Politik. So hat Corazon Aquino den Rebellen am Dienstag für den Fall mit Krieg gedroht, daß sie sich nicht auf eine friedliche Regelung einließen. Vor rund 1.000 Krankenschwestern verglich sie die Guerilla mit einer „schleichenden Krankheit“, der man notfalls mit „der drastischeren Operation des Krieges“ begegnen müsse. Seit Mai schon hatte er die Präsidentin gedrängt, die von ihr ernannten Bürgermeister und Gou verneure kritisch unter die Lupe zu nehmen, da sie ihm teils unfähig, teils korrupt und teils unkooperativ erschienen. Am vergangenen Mittwoch ging Aquino darauf ein. Seit Juli hatte er darauf hingewiesen, daß die Berater der Präsidentin zunehmend Machtbefugnisse an sich rissen, die traditionell das Militär hatte. Aquino versprach, sie wieder in die Schranken zu weisen. Nach den Vereinbarungen der letzten Woche darf Ramos eine Frist festsetzen, binnen derer die Waffenstillstandsverhandlungen zum Erfolg führen müssen - andernfalls erhält das Militär völlig freie Hand. Ebenso wird er eine Liste von Funktionären zusammenstellen, die seiner Ansicht nach für das Militär nicht tragbar sind. Die Zugeständnisse sind erheblich, doch Ramos ist klug genug, sich nicht öffentlich damit zu brüsten. Nein, Aquino habe nicht ihre Politik verändert, man sei nur übereingekommen, den ganzen Prozeß ein wenig zu beschleuni gen. Das Militär habe keine Forderungen gestellt, sondern „Empfehlungen“ in die Gespräche eingebracht. Und diese seien auch nur zum Teil befolgt worden. Das größte, bis dato nicht gelöste Problem stellt aus der Sicht von Ramos und Enrile die Zusammensetzung des Kabinetts und insbesondere Aquinos Vertrauensperson und Staatssekretär Joker Arroyo dar, der sogar bei einigen Kabinettsmitgliedern als „the little president“ gilt. Arroyo empfahl zum Beispiel Aquino, sich persönlich der Loyalität der Offiziere zu versichern, die sie in der vergangenen Woche als formelle Oberbefehlshaberin der Armee zu Generälen beförderte - aus der Sicht Ramos ein Abweichen vom militärischen Instanzenweg und der unrühmlichen Fortsetzung unter Marcos üblicher Verfahrensweisen. „Das Militär muß neutral und geeint sein“, wiederholte er mehrfach in der vergangenen Woche. „Jedwede Flügelkämpfe kommen nur den anderen Armeen draußen in den Bergen zugute. Und das Militär ist nicht eine private Sicherheitsfirma für irgendeinen Funktionär.“ Folgt man Ramos, so war eine der größten Sünden von Marcos, daß er persönliche Loyalität im Militär höher bewertete als fachliche Qualifikation, daß die Sicherheitskräfte zum Schutz des Diktators und seiner Familien eingesetzt wurden, anstatt zur Guerilla–Bekämpfung. Doch obschon er aufgrund dieser Differenzen schon vor Jahren „innerlich“, wie er sagt, mit Marcos brach, blieb er nach außen jahrelang absolut loyal. Ähnlich steht er heute zu Aquino. Seine Beziehung zu ihr beschreibt er als „extrem gut“, die zu Enrile als „wunderbar“. Er mag Bier und das Pokerspiel, und an seinem Geburtstag springt er meist mit einem Kasten Bier oder Medizin bewaffnet über kleinen Dörfern ab und beglückt die Bevölkerung. Die Fäden werden hinter den Kulissen gezogen. Mark Fineman