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Schlechte Noten für „Lex Altun“

■ Die Sachverständigen sind sich einig: Der Koalitionsentwurf ist ungeeignet / Die Zusammenlegung von Auslieferungs– und Asylverfahren bei einer OLG–Kammer ist nicht sinnvoll

Aus Bonn Oliver Tolmein

„Den Mist hat uns die FDP eingebrockt“, schimpfte im Anschluß an die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses ein CDU–Abgeordneter und ließ jeden, der es hören wollte, wissen: „Der Entwurf gehört in die Schublade, ganz nach unten.“ Daß dieser Wunsch bald wahr werden kann, machten am letzten Mittwoch die vom Rechtsausschuß geladenenen Sachverständigen möglich. Alle ohne Ausnahme waren sich einig: Der vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Internationale Rechtshilfe in Strafsachen und des Asylverfahrengesetzes“ - präziser auch „Lex Altun“ genannt - kann so nicht verabschiedet werden. Kernstück des Gesetzes, das am 17. Oktober in den Bundestag eingebracht wurde (die taz berichtete), ist die Neueinrichtung einer Kammer, in der sowohl über den Asylantrag eines Flüchtlings als auch über den Auslieferungsantrag des Verfolgerlandes entschieden werden soll. Und zwar immer in den Fällen, wenn, wie im Fall Altun, die Auslieferung eines Asylberechtigten beantragt ist. Diese Kammer würde dann, und das bezeichnete der Hamburger Anwalt Strate als den zentralen Mangel des Gesetzentwurfs, „zwei völlig gegenläufige Streitgegenstände“ in einem Verfahren entscheiden müssen. Während bei einem Asylantrag ein Flüchtling alles offenlegen müßte, sei das Auslieferungsverfahren ein „in den Zufluchtsstaat hinein verlängertes Verfahren der Strafverfolgung“. Der Beschuldigte habe daher das Recht, sich entweder gar nicht oder aber taktisch zu dem Sachverhalt zu äußern. Diese beiden Verfahrensarten ließen sich daher auf gar keinen Fall in einem Prozeß zusammenbringen. Sinnvoller, darauf verwies der Frankfurter Rechtsanwalt Marx, als die Zusammenlegung von Auslieferungs– und Asylverfahren sei es festzuschreiben, daß anerkannte Asylberechtigte und Asylsuchende, deren Anerkennungsverfahren beim Verwaltungsgericht läuft, grundsätzlich nicht ausgeliefert werden können. „An unserem OLG“, unterstützte der Münchener Richter Trautmann diesen Vorschlag, „ist das sowieso Rechtsprechungspraxis.“ Da sah sich der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Helmrich (CDU), aber doch genötigt, einzugreifen und den Unterschied zwischen Politikern und Sachverständigen deutlich zu machen: „Wir müssen ja nicht nur daran denken, was wünschenswert wäre, für uns spielt ja auch eine Rolle, daß wir aus den Ländern selber Straftäter ausgeliefert bekommen wollen.“

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