Rot–Schwarze Demonstration der Kampfkraft

■ Mit der größten Militärparade, die es je in Zentralamerika gab, wurde am vergangenen Wochenende in Managua das 25jährige Bestehen der sandinistischen Befreiungsfront gefeiert / Abschreckung kleinerer Gegner war bezweckt

Managua (apia) - Zuerst kamen die Veteranen mit ihren breitkrempigen Hüten, schwarzen Schnürstiefeln und rot–schwarzen Halstüchern, gekleidet wie ihr General Sandino, mit dem sie in den frühen 30er Jahren die US–Marines aus Nicaragua vertrieben hatten. Dahinter liefen im lockeren Haufen die weit jüngeren Kämpfer aus dem Volksaufstand vor acht Jahren, und schließlich stelzte im Gleichschritt Formation um Formation der Sandinistischen Armee an der Ehrentribüne vorbei: Grenztruppen mit ihren perfekt abgerichteten Schäferhunden, Reserveeinheiten aus allen Landesteilen, die sich unter ihren Stahlhelmen nicht anmerken ließen, welche Pein ihnen die sengende Mittagshitze bereitete, stramme Marinesoldaten, disziplinierte Einheiten der ständigen Territorialkompanien, junge Frauen von der Luftabwehr, die alle wild entschlossen schienen, sich ihren eigenen Hasenfus zu schießen. Schließlich die 57 und 76 mm Kanonen, die gefürchteten Katyuschas, die aus vierzig Roh ren todbringende Geschosse über den Feind regnen lassen können und die 50 T–55 Kampfpanzer, die eher Lärm und Gestank erzeugen als einem Dschungelkämpfer Furcht einflößen. Zum Abschluß die teils von Somoza geerbte und aus Sowjet–Beständen notdürftig ergänzte Luftwaffe und die Kampfhelikopter, mit denen die Sandinisten die Contras das Fürchten gelehrt haben. Das 25jährige Bestehen der sandinistischen Befreiungsfront und der zehnte Todestag des FSLN–Gründers Carlos Fonseca wurden mit einer Miltärparade gefeiert - der größten, die Zentralamerika je gesehen hat und der ersten seit dem 19. Juli 1980, dem ersten Jahrestag der Revolution. Im Unterschied zu ähnlichen Veranstaltungen in anderen Ländern Lateinamerikas wurde auf die rein quantitative Kräftedemonstration weitgehend verzichtet. Anstelle dessen nahm die Militärparade bald den Charakter einer großangelegten Theaterinszenierung an, die auf die etwa 40.000 Zuschauer aus dem Volk und die Delegierten von kommunistischen und linkssozialistischen Parteien aus über 100 Ländern der Welt eindrücklich nachwirken sollte. Militärexperten war klar, daß selbst mit dem gesamten vorgezeigten Arsenal von Defensivwaffen eine direkte Intervention der USA kaum verhindert oder wirksam bekämpft werden könnte. Dem nicaraguanischen Verteidigungsminister Humberto Ortega, der für die Inszenierung der Parade verantwortlich zeichnete, ging es vielmehr um die Abschreckung kleinerer Gegner. Er sieht nämlich eine Eskalation des Konflikts in mehreren Etappen voraus: Ein Sprecher der sandinistischen Armee beurteilte die jüngste Niederlage eines Bataillons der „Contras“ in der Grenzregion Nueva Segovia als einen endgültigen Fehlschlag der „Novemberoffensive“ - massive Inkursionen der Contras von Honduras aus, die in Nicaragua als erste Folge der 100–Millionen– Dollar–Hilfe aus Washington gesehen werden. Als zweiten großen Schlag er warten jetzt die Sandinisten die Mobilisierung der benachbarten zentralamerikanischen Armeen. Costa Ricas Grenztruppen haben seit einigen Tagen an der nicaraguanischen Grenze Position bezogen und El Salvadors Präsident Napoleon Duarte erklärte nach einem Besuch des US–Unterstaatssekretärs Michael Armacost, daß er genügend Gründe für einen eventuellen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Nicaragua hätte. Alle diese Sticheleien an und um Nicaragua sollen ab Dienstag den 11. November in Guatemala bei der Konferenz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) untereinander und mit dem Drahtzieher im Norden koordiniert werden. Kurz darauf - und sozusagen als Belohnung für ihr tapferes Verhalten - sollen ein halbes Dutzend von Staatspräsidenten aus dem karibischen Raum und Zentralamerika im Rahmen einer Konferenz, der „Caribbean Basin Conference“ in Miami einige saftige Kredite der internationalen Entwicklungsbanken erhalten. Um nun den in dem nordamerikanischen Aggressionsplan verwickelten zentralamerikanischen und karibischen Armeen ihren Appetit und ihre Angriffslust zu verderben, wollten die Sandinisten in Managua das Kampfpotential demonstrieren, mit dem ihre Gegner zu rechnen hätten. Gleichzeitig war die militärische Politshow aber auch ein Signal an die ebenfalls bei der bevorstehenden OAS–Konferenz vertretenen Contadora–Länder, sich für eine wechselseitige Abrüstung im Rahmen eines gesamtzentralamerikanischen Friedensabkommens einzusetzen. Während sich also die internationale Lage rund um Nicaragua wieder einmal zuspitzt geht der Kleinkrieg weiter: Während am Samstag Panzer durch Managua rollten und Präsident Daniel Ortega des FSLN–Gründers Carlos Fonseca gedachte, überfielen „Contra“– Einheiten eine Kooperative im östlichen Departement Boaco, wobei fünf Menschen (darunter auch ein Kind) getötet und acht verletzt wurden. Ralf Leonhard/Leo Gabriel