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Jacques Chirac und die Wahrheit

■ Die Auseinandersetzung um Sanktionen gegen Syrien hat Frankreichs Premierminister in außenpolitisches Dilemma gebracht / Das Interview der „Washington Times“ war deshalb kein journalistischer Zufallstreffer

Aus Paris Georg Blume

„Die vorgeschlagenen Maßnahmen stellen überhaupt kein Problem dar und werden verabschiedet.“ Der französische Außenminister Jean–Bernard Raimond kündigte bereits am Wochenende das Ergebnis der EG–Außenministerkonferenz in London an. Dennoch hat der britische Sanktionsdruck die Rechtsregierung von Premierminister Jacques Chirac in eine heftige innen– und außenpolitische Krise gefahren. „Besondere politische Vereinbarungen müssen immer hinter der Solidarität gegenüber dem Verbrechen zurückstehen“, hatte Staatspräsident Mitterand vor zwei Wochen den Premierminister gewarnt, als die EG–Außenminister das erste Mal in puncto Syrien verhandelten und Frankreich gemeinsam mit Griechenland als einzige Län der von der englischen Repressionslinie abwichen. So blieb Chirac bis zum jetzigen Montag wenig Zeit, seiner gegen den Terrorismus aufgehetzten öffentlichen Meinung einerseits, seinen europäischen Verbündeten andererseits die französische „Realpolitik“ (Liberation) im Nahen Osten zu erläutern. Um nicht völlig zu versinken, wagte er den Eklat. Das Interview, das Jacques Chirac am vergangenen Dienstag dem Chefredakteur der „Washington Times“, Arnaud de Borchgrave gestattete, war kein Zufallstreffer. De Borchgrave, einst stellvertretender Chefredakteur der „Newsweek“, ist einer der bekanntesten Journalisten, dessen freundschaftlichen Beziehungen zum ehemaligen CIA–Chef und heutigen Vizepräsidenten George Bush bekannt ist und in den 70er Jahren insbesondere im französischen Geheimdienst SCEDE (heute: DGSE) ein– und auszugehen pflegte. Ob wir aufgrund der Notlage des Premierministers so die Wahrheit über das geplante Attentat auf die Londoner EL AL–Maschine erfahren haben, darüber wird nicht mehr diskutiert. Chirac hat gezeigt, wie weit er gehen kann, wenn man ihn in die Enge treibt. Andere, wohl nicht zuletzt Bundeskanzler Kohl, werden ihn dafür in Zukunft vorsichtiger behandeln. Die französische Regierung wird weiter mit syrischen Geheimdiensten zusammenarbeiten. „Syrien bleibt unausweichlicher Bestandteil jeder Lösung der Libanon–Krise“, urteilte Chirac am Samstag vor der jüdischen Gemeinde in Paris. Führende französische Rechtspolitiker, allen voran Ex–Präsident Giscard dEstaing, kritisierten offen diese Vorgehensweise am Wochenende.

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