Frankreichs Rechte feiert Bothas Südafrika

■ Der südafrikanische Präsident besucht Frankreich, um der Gefallenen des Ersten Weltkrieges zu gedenken Getrennte Proteste gegen Apartheid–Chef / „Wenn Du nur die Lebenden so wie die Toten akzeptieren würdest!“

Aus Longueval Georg Blume

Zwei zehnjährige Dorfjungen stehen vor der Polizeiabsperrung und bewundern die großen Reisebusse. Demonstranten kamen hier zuvor vorbei, und einige Busreifen sind geplatzt. Pascal und Laurent kennen Pieter Botha nicht und wollen von den Ereignissen in Longueval (Nordfrankreich) an diesem sonnigen Herbsttag sowieso nichts verstehen. Pascal meint nur: „Mein Vater hat gesagt, der Botha ist ein Schwein.“ Etwas weiter weg spielen zwei kleine Jungen im gleichen Alter auf den glatten Friedhofswiesensüdafrikanischer Kriegsgefallener Fangen. Die beiden aber wissen genau, was hier geschieht. „Ich bin gekommen, um mein Land zu repräsentieren“, sagt der eine und der andere nickt. Was haben wohl die Eltern der beiden ihren Kindern gesagt? Der 11. November 1918, an dem man den Versailler Friedensvertrag unterschrieb, ist Frankreichs Nationalfeiertag für die Ehrung der Kriegsgefallenen. Der Präsident aller weißer Südafrikaner - bis gestern mittag auf einem zweitägigen „Privatbesuch“ in Frankreich -, ist nach Longueval gekommen, um am Grabmal der südafrikanischen Opfer von zwei Weltkriegen ein Museum einzuweihen. Für die offizielle französische Politik war Pieter Botha in diesen Tagen ein ungebetener Gast. Zu nah lag der alljährliche französisch–afrikanische Gipfel, der heute in Anwesenheit von Mit terrand und Chirac in Lome (Togo) eröffnet wird. „Opportunismus“ nennt dies - wohl nicht ganz unberechtigt - mein Kollege Pierre Pujo, Chefredakteur der royalistisch–reaktionären Wochenzeitung Aspects de la France, der bereits während der Anreise im polizeieskortierten Pressebus der südafrikanischen Botschaft seinem „Schamempfinden“ für Frankreich Luft macht. Vor zwei Jahren nämlich, unter einer linken Regierung, sei es ein Staatssekretär gewesen, der Botha zur Grundsteinlegung seines Museums an selbigen Ort begleitete, heute aber käme nur ein Bezirkspräfekt. Doch Pierre Pujo ist nicht allein. Zu über 1.000 Mann ist Frankreichs Rechtsextreme angetreten, um Pieter Botha zu feiern. Le Pen–Anhänger, Neu–Rechte, Königstreue und natürlich die alten Fallschirmspringer der Algerien–Zeit, alle sind sie da. Einer der ihren, der „unabhängige“ Bürgermeister von Longueval, tritt während der Feierlichkeiten ans Rednerpult: „Herr Präsident, Sie sollen wissen: In Longueval sind Sie zu Hause.“ Warum sollte er dann nicht gleich in dem 300–Seelen–Kaff daheim bleiben? In der Nacht zuvor ließ die Action Directe mit drei Bomben merken, wo sie die französische Heimatstatt Pieter Bothas sehen: Bei Peugeot, Total und dem Kohleimporteur Pechiney entstanden Materialschäden aus Protest gegen den Präsidentenbesuch. Jerome Parrin, Landwirt schaftslehrling und Mitglied der gewaltfreien Bewegung MAN will von solchen Aktionen nichts wissen. Er aber wurde Held des Tages. Zunächst nimmt die Friedhofszeremonie ihren normalen Lauf. Die Funksprechgeräte der südafrikanischen Sicherheitsbeamten krächzen leise. Irgendwann erklingt die Marseillaise, und spätestens jetzt müßte jeder traditionsbewußte republikanische Geist zu schreien beginnen. Stattdessen donnert der Applaus, als Botha das Rednerpult erreicht. Der Präsident setzt an, die Ruhe ist perfekt, dann endlich ertönt der Schrei: „Wenn Du nur die Leben den so wie die Toten respektierenwürdest - Freiheit für Mandela!“ Der Präsident unterbricht seine Ansprache. Inzwischen erreichen Jerome Parrin bereits die Knüppel der südafrikanischen Sicherheitsbeamten. Die Zeremonie geht weiter, aber die Situation war gerettet. Pieter Botha ist nicht nur dem einen Frankreich begegnet. Dabei hatte die französische Polizei alles getan, damit es nicht soweit komme. Auf mehrere Kilometer ist Longueval unerreichbar für Demonstranten abgeriegelt worden. Wie üblich nach dem Bruch der Linksunion protestiert man auch gegen die Apartheid getrennt. Am Morgen die Kommunisten und CGT–Gewerkschafter (ihnen sind die geplatzten Busreifen zu verdanken), am Nachmittag pflanzen Sozialisten und andere Anti–Apartheid–Gruppen je einen weißen und einen roten Ahorn als Symbol für die Versöhnung von schwarz und weiß. Prominente Apartheid–Kritiker sind nicht gekommen. Sie zogen es vor, eine Woche zuvor in aller Ruhe und mit wenig Polizei zu demonstrieren. Pieter Bothas Hubschrauber ist längst wieder abgeflogen, Pascal und Laurent aber stehen immer noch vor der inzwischen gelockerten Polizeiabsperrung