Fast Food: Eine Akademie für den Big Mäc

■ McDonald hat die erste Hamburger–Universität eingerichtet / 3.000 Chicagoer Studenten bekommen alles über den Viertelpfünder eingetrichtert / Sprungbrett in die Hierarchie der Bullettenkette / Tiefenforschung im Hackfleischgeschäft

Aus Chicago Peter Gillhofer

Die Fast–Food–Fans und Schnellküchenkunden brauchen sich nicht mehr länger als kulinarische Underdogs fühlen. Der Hamburger, jenes fettriefende Statussymbol amerikanischer Eßlust, ist zwischenzeitlich zu einem Produkt akademischer Forschung avanciert. In Oak Brook, einem kleinen Vorort Chicagos, wurde die erste „Hamburger–Universität“ der Welt errichtet. Gründer und Betreiber dieser Lehranstalt moderner Freßkultur ist - wie könnte es anders sein - Tempo– Sattmacher Nummer eins: McDonald. In wahrhaft senffreier Atmosphäre erwerben sich die jährlich 3.000 Chicagoer Studenten ihr Wissen um die kalorienschweren Viertelpfünder und Big Mäcs. Schon die Eingangshalle zur Alma Mater der Fleischeslust gleicht eher der Luxuslobby eines Fünf– Sterne–Hotels. Ausladende Ledersofas stehen auf spiegelndem Marmor, an den Wänden moderne Gemälde. Und dann erst die Mensa, hier vornehm „Lodge“ genannt, mit Terrasse auf den künstlichen See. Da riecht nichts nach Zwiebeln. Das Studentenfutter ist vom Feinsten und auch das Interieur verrät nichts mehr vom gelb–roten Polyester–Geschmack des Hausherrn. Natürlich sind die Mc–Donald– Eleven, die es aus allen Ländern des Küchenimperiums nach Chicago zieht, auch keine gewöhnlichen High–School–Absolventen. Sie wollen nach oben kommen in die Management–Hierarchie der Bullettenkette, die inzwischen rund 8.000 Glieder hat. Alle 18 Stunden macht irgendwo in der Welt ein neues Schlingerlokal mit dem gelben „M“ auf, sei es in Neuseeland, auf den Philippinen oder halt in Wanne–Eickel. An der Privat–Uni in der ehemaligen Schlachthaus–Metropole Chicago pauken sie die Geschäftsprinzipien des vor zwei Jahren ge storbenen McDonald–Gründers Ray A.Kroc, der als sein Erfolgsrezept angab: „Wir betreiben das Hamburger–Geschäft ernsthafter als alle anderen.“ Die akademische Arbeit in Oak Brook mag als Beispiel für gastronomische Tiefenforschung stehen. In Planspielen werden die Hamburger–Stu denten darauf getrimmt, immer effizienter hungrige Mäuler zu stopfen. Rasche Analysefähigkeit des Kundenverhaltens zeichnet die Träger des Hamburger–Diploms aus. Dazu müssen sie genau Bescheid wissen über Zahl und soziale Schicht der Klientel in ihrem Freßgebiet. Vor allem: Wieviele Kinder und wieviele Rentner. Für Alt oder Jung werden dann im geeigneten Monat Geburtstagsparties an der Theke organisiert - mit Geschenkgutscheinen, versteht sich. Was für den Rekruten das Gewehr, ist für den angehenden Mc– Donald–Manager der elektrische Milchmixer. An der Hamburger– Uni lernen sie, wie man einen Mixer in seine 165 Bestandteile zerlegt, ölt und dann in weniger als 20 Minuten wieder zusammensetzt. Schnelligkeit ist Trumpf im Fast– Food–Business. Der Fixeste im Mixer–Puzzle brauchte fünf Minuten und elf Sekunden. Jeder Kurssieger in diesem Spiel wird mit fünf Firmenaktien (Stückpreis: 220 Mark) belohnt. Die 24 Professoren an der US– Uni, ausnahmslos Hamburger– Honoratioren mit umfangreicher Praxiserfahrung, vermitteln ihr Wissen vom platten Essen unter der Zauberformel „Qualität, Bedienung und Sauberkeit“. Die Fritten–und–Frikadellen–Experten stört es dabei wenig, daß Autor Günter Wallraff ihre abstrakte Wirteweisheit kürzlich als vordergründigen Publikumsfang enttarnt hat. Schmieriges Fett, unterbezahlte Bedienungen und Kakerlaken in der Küche stehen laut Wallraff in Wahrheit hinter dem Rezept der Chicago–Köche. Rohes Fleisch und reine Lehre vertragen sich halt nur schwer. Firmengründer Ray Kroc soll einmal gesagt haben: „Es ist soviel Grazie in der sanft geschwungenen Silhouette eines Hamburger–Brötchens. Es erfordert schon einen ganz besonderen Geisteszustand, um das zu erkennen.“ Solch Geisteskinder entläßt die Hamburger–Universität in Oak Brook allemal. Ja noch mehr. Vitales Mitglied der Mc–Donald–Familie wird einer angeblich erst, „wenn Ketchup durch seine Adern rollt“.