Schwabach - Entsorgungspark im Herzen Frankens

■ Öko–Institut befürchtet bei neuer Sondermüllverbrennungsanlage in Schwabach mangelnde Abgasreinigung / Vorschlag, neue Technologien auszuprobieren, wurde abgebügelt / Vorzeitiger Baubeginn liefert Sachzwänge / Am 18. November Erörterungstermin / Altanlage lief 13 Jahre ohne Abluftreinigung

Aus Schwabach Bernd Siegler

„Eine Stadt zum Wohlfühlen voller Kostbarkeiten“. So lautet die Eigenwerbung der Stadt Schwabach, „im Herzen des Frankenlands“ gelegen, 16 km südlich von Nürnberg. Ein Großteil der 30.000 Einwohner sieht sich nun in seinem Wohlgefühl ernsthaft beeinträchtigt, denn Schwabach soll um eine Kostbarkeit reicher werden: eine neue Sondermüllverbrennungsanlage. Schon bisher ist Schwabach das Zentrum des mittelfränkischen Sondermülls. Jährlich werden dort 176.000 Tonnen Problemmüll angeliefert, allein ein Fünftel davon kommt aus Baden–Württemberg. 15.000 Tonnen werden in der Sondermüllverbrennungsanlage „entsorgt“, 100.000 Tonnen wandern auf die Deponie, deren Kapazität Anfang der 90er Jahre erschöpft ist. Dann sollen die gefährlichen Abfälle in das benachbarte Fürth transportiert werden. Grund genug für Schwabachs Bürger und Stadtväter, die Standortfrage für die neugeplante Verbrennungsanlage zu stellen, die nach dem Willen des Zweckverbandes Sondermüllplätze Mittelfranken genau neben die alte gebaut werden soll. Schon Ende 1987 soll sie für 60 Millionen DM in Betrieb gehen und jährlich 30.000 Tonnen verbrennen. Doch bereits die alte Anlage lehrte die Bewohner der nahegelegenen Wohngebiete das Fürchten. 1972 ging sie, als Pilotprojekt für nur 10 Jahre konzipiert, in Betrieb. 13 Jahre lang produzierte die Anlage für hochgiftige Abfälle dann ohne eine besondere Rauchgasreinigung. Lediglich ein veralteter Elektrofilter sollte für „reine“ Abluft sorgen, bevor im vorigen Jahr eine Rauchgasreinigungsanlage installiert wurde. „In der Hauptwindrichtung der Verbrennungsanlage“, so Rolf Grashaußer von der Elterninitiative gegen Luftverschmutzung, „stellten wir eine eklatante Häufung der Atemwegserkrankungen bei unseren Kindern fest.“ „Wir haben Angst, daß unser Wohngebiet zum Entsorgungspark für Sondermüll aus ganz Süddeutschland wird“, befürchtet er angesichts der neuen Planungen. Neben der neuen Verbrennungsanlage soll gleich noch ein Forschungszentrum entstehen, daß das Verhalten von Dioxinen und Furanen im Abgas untersuchen soll. Baubeginn vor Erörterungstermin Doch bevor sich die betroffe nen Bürger noch richtig umsehen konnten, erteilte die Regierung von Mittelfranken dem Zweckverband Anfang August eine vorzeitige Baugenehmigung für die neue Sondermüllverbrennungsanlage. Lange bevor die Einwendungen von über 300 Bürgern und der Stadt im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens am 18.November erörtert werden können, sind also Fundamente und Tiefbauarbeiten im vollen Gange. Daran änderte auch ein Gutachten des Öko– Instituts Darmstadt nichts, das der geplanten Neuanlage kein gutes Zeugnis ausstellt. Die Gutachter rügen die Unvollständigkeit der vom Betreiber eingereichten Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren. Weder eine Positivliste für die angelieferten Stoffe, noch Angaben über Emissionen und andere Anlageteile liegen vor. SPD hat keine Bedenken Insbesondere die Übernahme der alten Rauchgasreinigung für die neue Verbrennungsanlage findet die Kritik der Gutachter, zumal dort die doppelte Abfallmenge verbrannt werden soll. „Wenn heute eine Neuanlage, die 20 Jahre halten soll, in Betrieb ge nommen wird, dann doch nicht mit einer Rauchgasreinigungsanlage, die von Anfang an an der Grenze ihrer Kapazität scheitert.“ Ganz abgesehen davon, daß die Altanlage nicht, wie im Bundesimmissionsschutzgesetz gefordert wird, dem derzeitgen Stand der Technik entspricht. So werden im hessischen Biebesheim oder in Ludwigshafen weitaus niedrigere Schadstoffwerte erzielt. „Ich hoffe nicht, daß Sie das Gefühl haben, daß wir mit Taschenspielertricks arbeiten“, mußte der Vertreter des Münchner Landesamtes für Umweltschutz, Dr. Steinmetzer, daraufhin seine Darlegungen einleiten, um den Versuch zur Beruhigung der Stadtratsgemüter zu wagen. Hinsichtlich der Emissionen der Anlage habe er keine Bedenken. „Da hatten wir noch nie Probleme.“ Andere Anlagenteile seien von der Verbrennungsanlage ohnehin nicht betroffen, außerdem falle diese sowieso nicht unter die Störfallverordnung. Eine Sicherheitsanalyse sei daher gar nicht notwendig. Als der Stadtrat der Grünen, Ralf Gabriel, dem staatlich amtierenden „Umweltschützer“ daraufhin „Umweltblockadepolitik“ und eine „zum Himmel schreiende Frechheit“ vorwarf, funktionierte im Schwabacher Stadtrat die Solidarität der Demo kraten und zieh Gabriel der Unhöflichkeit. In der Rolle des Beleidigten konnte Steinmetzer seine Befürwortung der Neuanlage nun besser verkaufen als der Zweckverband. Gegenüber dem Öko–Institut hatte er zudem einen entscheidenden Vorteil. Der Schwabacher Baurat Meier hatte dem Landesamt für Umweltschutz das Gutachten aus Darmstadt bereits einen Tag nach Eingang bei der Stadt zugespielt, während die umfangreiche Antwort des Landesamtes dem Ökoinstitut erst einen Tag vor dem Hearing zugestellt wurde. Den Vorschlag des Öko–Instituts, man solle doch in Schwabach zumindest neue Technologien ausprobieren, ließ Zweckverbandssprecher Rücker links liegen. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, ausprobieren sollen andere.“ Um zu begründen, daß der Standort der Anlage städtebaulich unbedenklich sei, wurden metereologische Werte aus den 60er Jahren aus Nürnberg herangezogen. Demnach herschen Westwinde vor. Doch die Winde wehen in Schwabach anders. Dank der Kessellage, in der Schwabach liegt, gibt es überwiegend Südostwinde. Folglich ziehen die ganzen Abgase über das Schwabacher Stadtgebiet. Der von der Regierung von Mittelfranken angeordnete vorzeitige Baubeginn macht viele Hoffnungen der Anwohner, die noch überwiegend „Vertrauen auf das sachliche Gespräch und die Einsicht der Behörden haben“ (Grashaußer), zunichte. Auch von den sonst mit den Grünen so hervorragend zusammenarbeitenden Nürnberger Sozialdemokraten wurden sie bitter enttäuscht. Zusammen mit dem Stimmenanteil von 4,5 Schwabach in den Gremien des Zweckverbandes besitzt, hätten die 45 CSU lehnten die SPD–Stadträte einen entsprechenden Antrag der Grünen ab. Die Einstellung der Bauvorhaben ziehe Schadensersatzansprüche nach sich und verzögere die Inbetriebnahme der neuen Anlage, argumentierte der SPD–Umweltexperte Jürgen Fischer. „Die bisher bei Großprojekten gängige Praxis, mit einem vorzeitigen Baubeginn Fakten zu schaffen, hat sich damit auch in diesem Fall bewährt“, muß der grüne Gabriel konstatieren. Selbst das Verwaltungsgericht in Ansbach ließ die Stadt Schwabach mit ihrer Klage abblitzen, bestätigte den Baubeginn und griff damit einer Hauptsacheentscheidung vor.