I N T E R V I E W „Politisch gibt es keinen Krieg“

■ Amal–Chef Nabih Berri, Minister für Justiz und den Südlibanon, will den palästinensischen Befreiungskampf in kasernierten Armeeeinheiten organisiert wissen / Der Kampf im Süden soll Sache von Amal sein / Befreiung Jerusalems Entscheidung aller arabischen Staaten / Beate Seel sprach mit Minister Berri über die Lagerkriege

taz: Wie lauten Ihre Bedingungen für eine endgültige Beilegung der Lagerkriege? Berri: Ich habe keine Bedingungen, weil nicht ich es bin, der diesen Krieg angefangen hat. Meine einzige Bedingung ist, daß die Palästinenser im Libanon unter den gleichen Verhältnissen leben wie die Libanesen. Es gibt keine besonderen Sicherheitsbedingungen für die Palästinenser. Das Problem des Südens ist ein libanesisches Problem.Ich akzeptiere nicht, das palästinensische Problem und das des Südlibanons miteinander zu verbinden, vor allem nicht als Teil der Diskussion über den bewaffneten Kampf gegen Israel. Der Lagerkrieg findet nicht nur im Südliba non statt. Letztes Jahr brach er in Beirut aus, und auch jetzt gibt es täglich Kämpfe in Bourj– el–Brajne. Politisch gesehen gibt es in Beirut keinen Lagerkrieg. Es geht um die Vorherrschaft im Südlibanon, ein Kampf, der die ganze Mittelmeerküste betrifft. Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für das erneute Aufflammen des Lagerkrieges? Die Kämpfe brachen wieder aus, weil es im Libanon, in der Region, in der Welt eine Atmosphäre gibt, die es erlaubt, diesen Krieg erneut zu führen. Zum Beispiel muß man sich einmal die Lage Syriens vor Augen führen. Syrien wird beschuldigt, den „Internationalen Terrorismus“ zu unterstützen. Arafat hat diese Situation ausgenutzt, die Kämpfe zu beginnen. Warum sind die bisherigen Waffenstillstandsabkommen gescheitert? Das haben nicht wir verhindert. Ich bin es, der für die Einhaltung der Abkommen plädiert hat. In Sour sollen die Leute an uns ausgeliefert werden, die das Massaker verübt haben. ( Während der Kämpfe um das Lager Rashediyeh hatten Palästinenser einen Posten der Amal in Chaouakir angegriffen, fünf schiitische Milizionäre wurden dabei getötet - siehe taz vom 13.10.86). Das wurde ja auch im Waffenstillstandsabkommen von Damaskus fetsgehalten. Sie sprechen von gleichen Lebensbedingungen für Palästinenser und Libanesen. Warum haben Sie dann die Gründung einer kasernierten palästinensischen Befreiungsarmee (PLA) nach dem Beispiel anderer arabischer Staaten vorgeschlagen? Das ist kein Widerspruch. Wenn die libanesischen Milizen bestehen bleiben, die von Amal, der PSP, der Libanesischen Streitkräfte, dann bleibt vom Libanon nichts übrig. Die Milizen müssen in die libanesische Armee integriert werden, die natürlich der Restrukturierung bedarf. Dem entspricht die Schaffung eines Bataillons der PLA im Libanon, so wie sie in Ägypten oder Syrien besteht, für die palästinensischen Feddayin. Warum soll, was für Syrien annehmbar ist, nicht auch im Libanon praktikabel sein? Die Palästinenser akzeptieren das nicht, sie wollen ihre Waffen behalten. Das bietet natürlich den Phalangisten den Vorwand zu sagen: bitte sehr, wir können unsere Waffen nicht abgeben, die anderen behalten ihre Waffen ja auch. Warum unterwerfen sich die Palästinenser in allen anderen arabischen Staaten den Bedingungen dieser Länder, nur im Libanon nicht? Wenn eine libanesische Lösung erzielt werden soll, dann muß die auch die Palästinenser einschließen. Die Palästinenser haben ihre Pflichten als Einwanderer im Libanon, sie haben dann auch die gleichen Rechte wie die Libanesen, bis auf die Nationalität. Und der bewaffnete Kampf der Palästinenser gegen Israel? Sie haben das Recht dazu, von allen Grenzen aus, nicht nur von der libanesischen Grenze. Die Befreiung Jerusalems ist eine generelle Frage, die vieler Voraussetz umzusetzen, d.h. die Israelis bedingungslos aus dem Libanon zu vertreiben. Der Kampf im Süden ist nicht ein Kampf der Palästinenser, sondern der Kampf von Amal und der südlibanesischen Bevölkerung.