Falsche Herkunftsbezeichnungen bei Obst, Gemüse und Konserven

■ Marktbegehung der Hamburger „Verbraucherzentrale“ ergab: Zwei Drittel aller Anbieter fälschen das Herkunftsland / Südafrikanisches Obst und polnische Pilze werden „eingedeutscht“

Von Ute Scheub

Hamburg (taz) - „Es ist zu vermuten, daß es in anderen Bundesländern genauso aussieht“, resümierte eine Vertreterin der Hamburger „Verbraucherzentrale“. Nach Stichproben bei insgesamt 254 Hamburger Anbietern hatte sie zusammen mit einem behördlichen Lebensmittelkontrolleur feststellen müssen, daß zwei Drittel dieser Anbieter gegen das Gesetz verstoßen, indem sie die Angabe des Erzeugerlandes bei Obst, Gemüse und Konserven entweder verfälschen oder gar nicht nennen. Wer also zum Beispiel südafrikanisches Obst aus politischen oder tschernobylverseuchte polnische Pfifferlinge aus gesundheitlichen Gründen boykottieren will, wird meistens genasführt. Neben der „Eindeutschung“ polnischer Pilze und dem Verkauf von Äpfeln und Orangen aus dem Apartheidstaat nur unter den Markennamen „Cape“ und „Outspan“ stellte die Verbraucherzentrale noch weitere Mogeleien fest: Eier aus Legefabriken werden als Eier von freilaufenden Hühnern ausgegeben, und Herkunftsbezeichnungen auf Kisten udn Körben sind oft unkenntlich gemacht worden. Am häufigsten schwindeln die Obst– und Gemüsefachhändler: 86 Prozent von ihnen zeichnen ihre Waren nicht korrekt aus. Bei den Supermärkten und Lebensmittelabteilungen in Kaufhäusern sind es 62 Prozent. Am „besten“ schnitten die Anbieter auf Wochenmärkten ab: „Nur“ 30 von 100 verfälschen die Herkunftsbezeichnungen. Allerdings lassen die EG– Richtlinien den Händlern auch einen recht breiten Spielraum zur Täuschung der Verbraucher/innen: Denn nur bei bestimmten Obst– und Gemüsesorten ist die Nennung des Herkunftslandes vorgeschrieben, bei anderen ist sie freiwillig. Gesetzlich festgelegt ist sie zum Beispiel bei Zwiebeln und Rosenkohl, die in großen Mengen aus dem von Tschernobyl besonders betroffenen Ungarn importiert und deswegen auch gerne „umgemogelt“ werden. Dagegen dürfen besonders becquerelbelastete Pilze aus dem Ostblock und Haselnüsse aus der Türkei auch ohne Herkunftsbezeichnung angeboten werden. Ein Rechtsverstoß liegt dabei nur dann vor, wenn explizit ein falsches Erzeugerland angegeben wird. Auf ihrer Pressekonferenz präsentierte die „Verbraucherzentrale“ eine Dose Sauerkraut, das zwar in Polen geerntet, aber in der BRD abgefüllt worden war. Auf der Konserve war aber nur der Satz „abgefüllt in Deutschland“ zu lesen. Auch diese Art von Etikettenschwindel ist in solchen Fällen leider erlaubt. Die Hamburger Verbraucherzentrale fordert deshalb die Angabe des Herkunftslandes auf allen Lebensmitteln. Sie verlangt außerdem eine konsequente Verfolgung der Schwindler und verstärkte behördliche Kontrollen. - In Hamburg, das damit sogar noch vergleichsweise gut dasteht, werden die insgesamt 16.489 Anbieter, die jährlich 920.000 Tonnen Obst und Gemüse umschlagen, von ganzen zwei staatlichen Lebensmittelüberwachern kontrolliert. Man kann davon ausgehen, daß die Hamburger Marktuntersuchung repräsentativ für das ganze Bundesgebiet sein dürfte. Außer in Nordrhein–Westfalen, wo ebenfalls schon Marktbegehungen zusammen mit der Presse organisiert wurden, haben die Verbraucherzentralen in den anderen Bundesländern nach Informationen der taz allerdings noch keine derartige Untersuchung in Angriff genommen. Der Grund dürfte die mangelnde personelle Kapazität sein. Die Verbraucherzentralen haben allerdings alle eine Rechtsabteilung, wo Etikettenschwindeleien gemeldet werden können.