I N T E R V I E W Punktuelle Stillhalteabkommen

■ Freda Meissner–Blau von der Grün–Alternativen Liste zum Wahlkampfschwerpunkt

taz: Alle sagen, dies sei ein furchtbar fader Wahlkampf. Bist du auch der Meinung? M.–B.: Er ist insofern fad, als man in Österreich ja nur die Großparteien anschaut, und denen fällt natürlich nichts ein. Die machen eine Schönheitskonkurrenz, sonst gibt es nur hohle Phrasen. Wer ist denn für euch der Hauptgegner in dem Wahlkampf? Jetzt ist es der Haider geworden, weil er die rechte Opposition darstellt, aber im Grunde haben wir genauso miese Erfahrungen mit den anderen zwei Parteien gemacht. Was ist für euch thematisch am wichtigsten? Das Paket Umweltzerstörung, also Energiepolitik und Verkehrspolitik, Industriepolitik, Arbeitsmarktpolitik im weitesten Sinn. Konkret sind für uns Umwelt– und Landwirtschaftspolitik am wichtigsten; aber gleich gefolgt von Demokratiereform, Bürokratiereform, Privilegienabbau. Dieser Wahlkampf ist ja sehr stark von Wirtschaftsthemen geprägt. Dabei geht es vor allem um die Frage, was mit der verstaatlichten Industrie passieren soll. Was sind eure Vorstellungen dazu? Der Mock (Vorsitzender der ÖVP, d.Red.) will möglichst viel ans Ausland verscherbeln, um die akuten Löcher zu stopfen. Der Vranitzky hat sich davon insoweit abgegrenzt, als er gesagt hat, wir verkaufen nur soviel, wie notwendig ist. Wir sind prinzipiell der Auffassung, daß die österreichische Grundstoffindustrie auf gar keinen Fall verkauft werden darf. Wir denken, daß die verstaatlichte Industrie massiv in den Umweltsektor gehen soll, sprich in den Schienenverkehr und in die Umwelttechnologien. Es hat euch keine Partei vorgeschlagen, mit ihnen zu koalieren. Aber könntest du dir vorstellen, daß ihr Tolerierungsabkommen schließt, und wenn ja, mit welcher Partei? Angesichts des heutigen Zustandes der Parteien kommt nur Opposition in Frage. Nur: Angesichts des Zustandes der Natur oder unserer Lebensbedingungen kommen wir immer mehr zu der Überlegung, daß wenn der unwahrscheinliche Fall einer Minderheitsregierung eintreten würde, wir ganz konkrete Gesetze, also punktuelle Stillhalteabkommen schließen könnten, die dann einen entsprechend hohen Preis in Fragen der Umweltpolitik haben würden. Ein solches Abkommen wäre mit beiden großen Parteien möglich? Das wäre ganz egal. Das Gespräch führte Antje Bauer.