piwik no script img

P O R T R A I T Indianischer Widerstand geehrt

■ Der alternative Nobelpreis wurde an Evaristo Nugkuag Ikanan vergeben, der dem Volk der Aguaruna aus dem Amazonasgebiet angehört

Berlin (taz) - 1976 mußte Evaristo Nugkuag sein Medizinstudium abbrechen, weil er keinen Pfennig mehr hatte. So endete für ihn der Aufenthalt in der weißen „Zivilisation“ . Er kehrte zu seinem Volk zurück: den Ayuaruna im peruanischen Amazonasgebiet. Und dort sah er die Einflüsse dieser Zivilisation nun mit schärferen Augen: die Dynamitfischerei der Siedler aus dem Hochland oder von der Küste, die rücksichtslose Jagd in den Wäldern, die Verbreitung der Krankheiten durch die Neuankömmlinge und die Landnahme durch sie. Als Evaristo zurückkam, begannen die Aguaruna ihre Situation zu analysieren und ihre Interessen zu formulieren. Sie gründeten eine Organisation, die für ihre Landrechte kämpft, ein bis dahin fehlendes Gesundheitssystem aufbaut und die ökologischen Grundlagen ihrer Existenz verteidigt. 1977 entstand der Rat der Aguaruna und der Huambisa, ihres Nachbarvolkes. In einem Gebiet von der Größe Belgiens, dessen Verkehrsadern aus den fünf Flüssen im Einzugsbereich des Maranon bestehen, entwickelten sie ein Kommunikationssystem zwischen den 89 angeschlossenen Comunidades. Heute, nach zehn Jahren, hat der Rat der Aguaruna und der Huambisa ein einzigartiges Gesundheitssystem mit 100 Promotoren aufgebaut. Die Ausbeutung durch die Flußhändler wurde beendet, die eigenen Produkte können nun besser vermarktet werden. Weltweit Aufsehen erregten Evaristo und seine Mitstreiter, als es ihnen gelang, den deutschen Filmemacher Werner Herzog von ihrem Lande zu vertreiben. Der wollte in einer Comunidad des Gebiets sein Filmcamp aufbauen und diese als Kulisse für seinen Film „Fitzcarraldo“ nutzen, der die Unterwerfung der Völker des Amazonas durch Glücksritter und Abenteurer zum Gegenstand hat. Durch die Konfrontation der beiden Kulturen spielte sich genau das ab, was die Filmleute vorgaben zu kritisieren. Die Aguarunas fühlten sich benutzt und ausgebeutet. Sie überfielen eines Morgens, mit wilder Kriegsbemalung, die ungebetenen Gäste und jagten sie in die Boote, ohne ihnen ein Haar zu krümmen. „Ich nehme den Preis im Namen meines Volkes an, im Namen aller Organisationen des Amazonas in den Ländern Columbien, Ecuador, Bolivien, Brasilien und Peru, die sich 1984 in der Coordinadora de las Organizaciones Indigenas de la Cuenca Amazonica - der Koordination der Organisationen der Ureinwohner des Amazonasbeckens - zusammengeschlossen haben“, wird Evaristo Nugkuag Ikanam heute bei der Preisverleihung sagen. Wir gratulieren herzlichst E. Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen