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Freie Schulen am Gängelband

■ Bundesverwaltungsgericht verwirft Anspruch freier Schulen auf richterliche Entscheidung bei der Zulassung / Bürokratie geht vor Justiz / Freie Schule Kreuzberg will in Revision gehen

Berlin (taz) - Bei der Genehmigung freier Schulen liegt die Entscheidung auch künftig bei den Schulbehörden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Berlin verkündete gestern im Revisionsprozeß der Freien Schule Kreuzberg gegen das Land Berlin die Nichtzulassung des Projekts als Privatschule. Das Gericht schloß sich damit der Rechtsauffassung der Berliner Schulverwaltung sowie einem Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts an. Danach liegt die Anerkennung des „besonderen pädagogischen Interesses“ (Grundgesetz Art.7, Abs.5) für Privatschulprojekte bei den Behörden. Mit seiner Entscheidung widerspricht das BVerwG dem hessischen Verwaltungsgerichtshof, nach der die Richter selbst entscheiden können, ob für die Genehmigung der Schule das „Interesse“ vorliegt oder nicht. Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 Mit dieser Interpretation hatte das Hessische Gericht die Behörden zur Genehmigung der „Freien Schule Frankfurt“ verpflichtet. Das BVerwG setzt mit seinem Urteil, das nunmehr maßgeblich für alle Bundesländer ist, auf die Kompetenz der Schulverwaltun gen, die es für „in besonderem Maße geeignet halten“, eine „Beurteilung des besonderen pädagogischen Interesses an der Zulassung einer privaten Volksschule“ vorzunehmen. Lediglich in Fragen der Willkür, der Befangenheit oder bei Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz halten die Berliner Richter ihre Kollegen noch für kompetent, behördliche Entscheidungen zu überprüfen. Der Pressesprecher des Berliner Schulsenats, Spanier, äußerte seine „Genugtuung“ über das Urteil und betonte, daß man es bei seiner Behörde „auch nicht anders erwartet habe“. Das Vorstandsmitglied des Trägervereins der Freien Schule Kreuzberg, Teschke, sieht hingegen zwar Hoffnungen enttäuscht, will aber nicht aufgeben. Er kündigte Beschwerde gegen das Urteil beim Bundesverfassungsgericht an: „Hier werden Grundrechte mit Füßen getreten“, so Teschkes Begründung. Einer Verfassungsbeschwerde räumt der Berliner Privatschulanwalt Thoms „durchaus Chancen“ ein. Es gibt bundesweit sieben genehmigte und fünf „illegale“ freie Schulen. Sie streben eine Schule ohne Zwang und Noten an. Rund 30 Initiativen warten auf Zulassung. det

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