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Der Atommafia glaubt Bauer Lenting kein Wort

■ Vor allem die Bauern wehren sich in Ahaus gegen das geplante Atommüllager / Gerichtlicher Baustop im Mai letzten Jahres / Nach vier gewonnenen Prozessen gegen das Zwischenlager in Ahaus ist der Landwirt bester Laune

Aus Ahaus Hanne Eckart

„In den fünfziger Jahren“, erzählt Landwirt Hermann Lenting aus Ahaus–Ammeln „hatten wir auf dem Hof fünf Schweine, acht Milchkühe, ein paar Rinder und Pferde. Da konnten wir zu zehn Personen von leben. Und uns gings auch nicht schlechter.“ In den letzten Jahren mußten Stallungen für Schweinezucht und Rindermast angebaut werden, um die nach wie vor zehnköpfige Familie ernähren zu können. Wie der „Direktor irgendeiner Fabrik“ fühlt sich der 45jährige Familienvater da. Mit dem Bauern von früher habe sein Leben „nicht mehr viel gemein“. Der erfahrene Ortslandwirt weiß, wie wichtig es ist, genau zu kalkulieren. Kann doch jeder Fehler Zehntausende kosten. Auch Umweltschäden schlagen sich unerbittlich in der Bilanz nieder. Kein Wunder, daß bei den Ahauser Bauern die Alarmglocken gingen, als vor knapp zehn Jahren bekannt wurde, daß der Ort im Münsterland beim Rennen um ein Brennelemente–Zwischenlager ganz vorne lag. Oberstadtdi rektor Jünnemann (CDU) hatte sich gemeinsam mit seinen regierenden Parteifreunden kräftig in die Brust geworfen, und Ahaus bekam den Zuschlag. Es war nicht gerade der massenhafte Volkswiderstand, der im Westfälischen gegen das Atomprojekt anrannte. Dazu wurde dem Zwischenlager auch überregional viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Neben der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus „ und der Unabhängigen Wählergemeinschaft (die mit sechs Sitzen im Stadtrat vertreten ist) war es vor allem die Bauernschaft, die sich gegen das Atommüllager wehrte. Der frühere Vorsitzende des Westfälisch–Lippischen Landwirtschaftsverbandes hatte seine Zustimmung für die Ansiedlung des Atommüllagers mitten im landwirtschaftlich genutzten Gebiet gegeben. Er wurde daraufhin abgewählt und durch Hermann Lenting ersetzt. Der erzählt, wie die Landwirte von den Atomlobbyisten und den Stadtvätern umworben wurden: „Überall haben sie uns mit hingeschleppt, in die Forschungsanlage Karlsruhe und nach La Hague. Aber wir haben es immer geschafft, uns eigene Informationen zu besorgen. Da wollten sie uns nicht mehr dabei haben.“ Als es darum ging, gegen das Projekt zu klagen, war Hermann Lenting zur Stelle, weil man einfach „nichts unversucht lassen darf“. Der Betrieb des Bauern grenzt direkt an das halbfertige Zwischenlager. Seit dem gerichtlichen Baustop im Mai letzten Jahres, darf die Betreiberfirma BZA nicht mehr an der Lagerhalle weiterbauen. Das im Rohbau stehende Gebäude rottet langsam vor sich hin. Im Beton sollen bereits erste Schäden aufgetreten sein. Das freut den Hermann Lenting, der darauf hofft, seinen Prozeß auch in der zweiten und dritten Instanz zu gewinnen. Die Auswirkungen, die von einer radioaktiv verseuchten Umwelt ausgehen, haben die Bauern nach Tschernobyl gerade zu spüren bekommen. Lenting zeigt ein Schreiben der Landwirtschaftskammer: Den Erstschnitt - so dessen Inhalt - soll er nicht an seine Milchkühe verfüttern. Ohne Tschernobyl, da ist sich der Atomkraftgegener sicher, wären die Prozesse wohl kaum so gut ausgegangen. Aber mit leuchtenden Augen betont er auch die erstklassige Arbeit seiner Rechtsanwältin Wiltrud Rülle– Hengesbach aus Dortmund, „die immer noch was in der Hinterhand“ hat und die schon einmal dafür gesorgt hat, daß das Dorf Brunskappel im Sauerland nicht in einer Talsperre verschwindet. Immerhin sind die Lentings nachweisbar seit dem 16. Jahrhundert hier ansässig, vielleicht sogar noch länger. Und immer heißt der Bauer Hermann. Bis auf einen Heinrich der „irgendwie dazwischen geraten war“. Und der nächste Hermann, der jetzt erst 19 ist, soll genauso wie seine Vorfahren den Hof bewirtschaften. Vor Jahren, da seien mal Makler zu ihm gekommen, erzählt der Landwirt, die meinten, er könne „ein gutes Geschäft machen“, wenn er jetzt verkaufe. Aber das kam für Lenting nicht in Frage. Auch in einer gerichtlichen Auseinandersetzung will er „nicht den Hof einsetzen, wie es der Bauer Maas aus Kalkar gemacht hat“. Bislang waren allerdings die Prozeßkosten durch Spenden gedeckt. „Obwohl wir vier von fünf Prozessen gewonnen haben, waren das gut 15.000 DM“. Hartmut Liebermann von der Bürgerinitiative schätzt die gesamten Prozeßkosten auf mindestens 120.000 DM. Und er betont nochmal, wie wichtig es ist, das Zwischenlager zu verhindern, „denn wenn es erstmal fertig ist, gibt es Lagerkapazitäten für die nächsten 40 Jahre - auch ohne Endlager - und der Ausstieg aus der Atomindustrie kann weiter verschoben werden“. Derweil blickt man aus der Landeshauptstadt Düsseldorf mit Besorgnis ins Münsterland. Ewald Schulte, Sprecher vom zuständigen Wirtschaftsminister Jochimsen (SPD), argwöhnt, daß der Standort Ahaus endgültig gestorben sein könnte. Und das fände er einfach nur noch „schlimm“. Bauer Lenting, die anderen Bauern und die Bürgerinitiative freuen sich über Spenden: „Treuhandkonto Klage gegen das BEZ“, Treuhänder Rechtsanwalt W. Langebeins Volksbank Ahaus Kto. Nr.: 1920 300

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