G A S T K O M M E N T A R Ist Amerika schon verloren?

■ Das amerikanische Weltreich frißt seine Kinder

Angesichts der amerikanischen Enthüllungen sorgt sich die Frankfurter Allgemeine um die „Handlungsfähigkeit der westlichen diese Sprecher für einen neuen deutschen Nationalismus keine nationale Selbstachtung besitzen. Ihre Hingabe an die vermeintliche Quelle der Macht ist für die Amerikaner geradezu ehrenrührig. In Spanien hieß es einst, besser aufrecht sterben als auf Knien leben. Für den FAZ–Journalismus heißt das anscheinend: besser nicht denken und auf den Knien weiterschreiben. Die Neuigkeiten aus Washington kommen so schnell, daß die schlimmste Tagesmeldung harmlos erscheint, weil sie schon wieder von einer Schlimmeren überholt wird. Bald wird man im State Department niemanden mehr finden, der jemals ein gutes Wort für Reagan und seine Politik eingelegt haben will. Unser Botschafter, Mr. Burt, wird demnächst verkünden, daß er immer ein gläubiger Anhänger von Jessie Jackson gewesen sei. Auf jeden Fall wird es den Europäern schwer fallen, mit der Inkompetenz, ja Debilität in der amerikanischen Machtelite noch klarzukommen. Als der CIA–Chef Casey letztens Bonn besuchte, waren einige der deutschen Gesprächspartner dann doch erschüttert über sein persönliches Erscheinungsbild. Casey selbst tritt ab, so oder so, und der Präsident könnte ihm bald folgen. Unfähig, sich aus seiner Unfähigkeit herauszuwinden, scheint er sich unter dem Druck geradezu aufzulösen. Das aber ist der Ausdruck eines umfassenden Prozesses. Das Weltreich beginnt seine eigenen Kinder zu fressen. Es fällt nicht schwer, aus der simultanen amerikanischen Unterstützung für den Iran und den Irak zugleich ein sowohl einfaches als auch düsteres weltpolitisches Design herauszulesen. Es mag auch sein, daß die pro–arabischen Kräfte in der amerikanischen Administration sich entschlossen haben, gegen die pro–isrealischen Unterstützer zurückzuschlagen. Auf jeden Fall aber zeigt sich, daß das Weltreich selbst nicht mehr beherrschbar ist. Wo gibt es denn ein umfassendes politisches Konzept, das Craxi und Pinochet, Ceaucescau und Nakasone, Pol Pot und Schamir, Yves Montand und Michael Stürmer gleichermaßen einbeziehen könnte? Das finsterste Kapitel der letzten Nachrichten betrifft die Verwendung der illegalen Gelder für Wahl– und Propagandakam entweder durch die amerikanischen Dienststellen allein oder in Verbindung mit den Geheimdiensten „befreundeter Nationen“. Es werden natürlich alle Anstrengungen unternommen, diese Spur der Untersuchung zu verschütten. Es wird abzuwarten sein, ob die Kongreßmitglieder den Mut haben werden, zu begreifen, daß alle diese Dinge nicht der Reaganschen Inkompetenz entspringen, sondern der imperialistischen Politik selbst. Immer noch gibt es in Amerika viele, seien es Demokraten oder Republikaner, die unsere Freiheit, unsere politische Moral und unsere Selbstachtung höher achten als den Drang zur Weltherrschaft. Nur solange diese Menschen nicht verschwinden, sondern mehr und vor allem sichtbar werden, solange kann man noch behaupten, daß Amerika nicht verloren ist.