Todesschwadrone vor Gericht?

■ In Irland sollen acht Polizisten angeklagt werden, die IRA–Mitglieder im Auftrag der Geheimdienste ermordeten / Untersuchungsbericht vorgelegt / „Ehrlicher Bulle“ suspendiert

Aus Dublin Ralf Sotscheck

In dieser Woche übergibt der Polizeichef von Westyorkshire, Colin Samtsom, den zweiten Teil seines Untersuchungsberichtes über die Praktiken der nordirischen Polizei (RUC) an die Staatsanwaltschaft in Belfast. Der Bericht empfiehlt eine Anklage gegen acht Polizeibeamte im Zusammenhang mit den Erschießungen von fünf unbewaffneten IRA– und INLA– (Irische Nationale Befreiungsarmee) Männern sowie eines 17jährigen Jugendlichen. Mit der Anklageerhebung ist jedoch nicht vor März nächsten Jahres zu rechnen. Im Jahr 1982 wurde nach den Plänen des ehemaligen britischen Geheimdienstchefs, Maurice Oldfield, eine Einheit formiert, die aus 24 RUC–Männern bestand. Diese Einheit wurde von der berüchtigten Anti–Terror– Truppe FAS ausgebildet und arbeitete mit dem britischen Geheimdienst MI 5 zusammen. Die Mitglieder der Einheit operierten in Dreiergruppen. Ihre Aufgabe bestand darin, Personen, die der IRA– oder INLA–Mitgliedschaft verdächtig waren, aufzuspüren und zu töten. Die allzu offensichtliche Brutalität, mit der die Todesschwadrone vorgingen, rief jedoch Proteste von Politikern und Vertretern der Kirchen hervor. Die britischen Behörden leiteten schließlich 1984 eine Untersuchung unter der Führung von John Stalker, dem stellvertretenden Polizeichef von Manchester ein. Stalker galt als „ehrlicher Bulle“. Er nahm zum Schrecken des britischen Geheimdienstes seine Aufgabe ernst, und beließ es nicht bei Nachforschungen über die Todesschuß– Politik der „Sicherheitskräfte“. Stalker drang bei seinen Nachforschungen bis in die Tiefen geheimdienstlicher Aktivitäten vor. Er stieß auf MI–5–Operationen in Südirland, darunter zwei Morde und eine versuchte Entführung. Stalker stand kurz davor, die Identität eines britischen Agenten in der südirischen Polizei mit dem Code–Namen „Dachs“ aufzudecken. Aufgabe des „Dachses“ war es, den britischen Geheimdienst über Bewegungen der Polizei zu informieren. Teile der südirischen Polizeispitze wußten von der Existenz des Agenten. Da die Aufdeckung der Aktivitäten des britischen Geheimdienstes in der Republik Irland die „normale“ britisch–irische Zusammenarbeit auf sicherheitspolitischem Gebiet gefährdet hätte, wurde Stalker aufgrund von abstrusen Anschuldigungen suspendiert. Die Ermittlungen gegen Stalker leitete Samtsom, dem auch die Leitung der Untersuchung über die Todesschwadrone übertragen wurde.