Strahlenmaulkorb

■ Nach dem neuen Strahlenschutzvorsorgegesetz sind Wertungen nicht mehr gestattet / Streit zwischen Bund und Hessen

Berlin (taz) - Kaum ist das umstrittene neue Strahlenschutzgesetz in Kraft getreten (1.1.87), zeigt sich seine Wirkung als Maulkorb für die Bundesländer. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Diehl, pochte gestern unmißverständlich auf die Kompetenzen seines Dienstherrn, der künftig allein und ausschließlich für alle Bewertungen und Kommentierungen von Strahlen–Messungen zuständig ist. Ab 1. Januar könne zwar jedes Bundesland seine Meßergebnisse veröffentlichen, müsse sich aber allen Bewertungen und Empfehlungen für die Verbraucher enthalten; dies obliege allein dem Bonner Umweltministerium, sagte Diehl. Aktueller Anlaß die Warnung an die Länder ist ein Brief des hessischen Sozialministers Clauss an Umweltminister Wallmann, in dem Clauss ankündigt, er wolle auch künftig die amtlichen Meßergebnisse aus Hessen jede Woche veröffentlichen, bewerten. Doch es wird nicht zur Kraftprobe mit Hessen kommen: Wenn Wallmann die Bewertung der Meßergebnisse ausdrücklich untersage, werde sich Hessen „selbstverständlich an Recht und Gesetz halten“ und auf Bewertungen und Empfehlungen verzichten. Wallmanns Sprecher Diehl machte gegenüber der taz nochmals deutlich, daß sein Haus nicht zu Kompromissen bereit sei. Diehl: „Die Gesetzeslage ist klar.“ Betroffen von Wallmanns Maulkorb ist auch der Berliner Senat, der nicht nur täglich die Becquerel–Daten aus aktuellen Messungen veröffentlicht, sondern auch allmonatlich eine Bewertung der Daten zusammengestellt hat. Sie sollen die Monatsberichte trotz dem neuen Gesetz „bis auf weiteres“ veröffentlicht werden. -man