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Knast nach Hausbesetzerdemo

■ Gericht rügt „Rechtsblindheit“ der Angeklagten und läßt keine Bewährung zu / Urteil wegen versuchter Gefangenenbefreiung liegt über Antrag des Staatsanwalts / Rechtsmittel eingelegt

Wuppertal (taz) - Wegen „versuchter Gefangenenbefreiung“ sollen jetzt zwei Teilnehmer einer Protestdemo gegen die Räumung eines besetzten Hausses in Wuppertal drei Monate Knast absitzen. Dieses Urteil geht noch über den Antrag des Staatsanwalts hinaus, der das gleiche Strafmaß mit Bewährung gefordert hatte. Im Anschluß an die Demonstration im Sommer letzten Jahres, bei der die rund 150 Demonstranten von einem nahezu gleichstarken, mit Hundestaffeln und auch sonst bestens ausgerüsteten Polizeiaufgebot eskortiert wurden, war es in einer Imbißstube zu Festnahmen gekommen. In deren hitzigem Verlauf sollten die beiden nun vor dem Wuppertaler Amtsgericht angeklagten Demonstranten ursprünglich Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung sowie den Versuch der Gefangenenbefreiung begangen haben. Zu Beginn der Verhandlung wurden die ersten beiden Anklagepunkte jedoch gleich wieder fallengelassen, übrig blieb die versuchte Gefangenenbefreiung. Bei der Zeugenvernehmung verwickelten sich die drei geladenen Ordnungshüter in zahlreiche Widersprüche. So stimmten zum Beispiel weder ihre Angaben zur Zahl der am Tatgeschehen Beteiligten noch zu anderen Begleitumständen überein. Dies führte der Richter in seiner Urteilsbegründung als Indiz für die „besondere Glaubwürdigkeit“ der Zeugen ins Feld. Den Hinweis des Verteidigers, daß schriftlich vorliegende Aussageprotokolle der Beamten teilweise wortidentisch seien, mochte der Richter hingegen nicht als Gegenbeweis für seine These gelten lassen. Die „Rechtsfeindlichkeit“, die die Angeklagten in ihrer Erklärung zu den Beweggründen der Hausbesetzung zum Ausdruck gebracht hätten, verlange danach, die ganze Strenge des Gesetzes anzuwenden, erklärte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Die beiden Verurteilten haben Rechtsmittel eingelegt. Ch.Gi.

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