Anti–AKW–Bewegung gegen CSU–Staat

■ Bundeskonferenz der Anti–AKW–Bewegung will demonstrieren, daß eine WAA auch in Bayern politisch nicht durchsetzbar ist / Der CSU–Staat reagiert erwartungsgemäß mit Verbot und großem Polizeiaufgebot

Spätestens seit Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht nach heftigen Auseinandersetzungen bekennen mußte: Eine Wiederaufbereitungsanlage ist in Niedersachsen politisch nicht durchsetzbar, stand für Strauß fest: Das wird in Bayern nicht passieren. Da andererseits die Anti–AKW–Bewegung jedoch weiß, daß eine WAA nur so wie in Niedersachsen zu verhindern ist, war der Konflikt bereits vorprogrammiert. Die bevorstehende Konfrontation in Nürnberg scheint unvermeidbar.

Nürnberg (taz) - Nur eine knappe Stunde lang konnte sich Nürnberg als Oase für das Recht auf Versammlungsfreiheit in der schwarzen Wüste Bayern fühlen. Dann waren die von der Stadtverwaltung unterzeichneten Mietverträge für die Bundeskonferenz der Anti–AKW–Initiativen Makulatur. Das Innenministerium bewies, wie es der von einer rot–grünen Mehrheit regierten Stadt auf die Sprünge helfen kann. Es wies am Montag die Bezirksregierung von Mittelfranken an, die BuKo in Nürnberg zu verbieten. Doch die sinnbildliche Oase erweist sich im Nachhinein sowieso als Fata Morgana. Nicht zuletzt ein Vermerk des städtischen Rechtsamtes wurde Bestandteil der Verbotsbegründung. Noch letzten Freitag hatte Bürgermeister Willy Prölß (SPD) als Spre cher der Verwaltung getönt, daß „nach dem heutigen Sachstand kein Grund besteht, die Räume des KOMM nicht für die Konferenz zur Verfügung zu stellen“. Damit befand sich die Stadtverwaltung im Einklang mit den Stellungnahmen von SPD und Grünen, die sich vorbehaltlos für eine Durchführung der Anti–Atomkonferenz ausgesprochen hatten. In einem Gespräch mit Rechtsreferent Dr. Richard Sauber hatten die Veranstalter der Bundeskonferenz versichert, jegliche Aufrufe und Befürwortungen von Gewalttaten zu verhindern und ein Vermummungsverbot einzuhalten. Während Sauber auf die Preisgabe der Namen der Arbeitsgruppenleiter der BuKo verzichtet hatte, rang er den Veranstaltern ein weit gewichtigeres Zugeständnis ab. Sie zogen den Reader, Auslöser des Verbotes der letzten Bundeskonferenz in Regensburg, als offizielle Diskussionsgrundlage zurück und tauschten ihn gegen ein dreiseitiges Einladungsschreiben aus. Laut Beschluß des BuKo–Vorbereitungstreffens in Frankfurt vom 20. Dezember galt jedoch der Reader als existentielle Grundlage für die Nürnberger Anti– Atomkonferenz. „Die Inhalte, deretwegen die BuKo verboten wurde, lassen wir uns nicht nehmen, Grundlage bleibt der jetzige Reader“, hatte es im „Aufruf zu einer neuen BuKo in Bayern“ geheißen. Doch dieses taktische Vorgehen lohnte nicht, denn das Innenministerium stützt seine Verbotsanweisung nach wie vor auf den Reader. Darin werde „unverhohlen“ zu Straftaten aufgerufen. Obwohl das Innenministerium der Stadt ein Verbot „eindringlich geraten“ hatte, teilte die Stadtverwaltung mit, die BuKo werde nicht untersagt. Trotzdem wartete man vier Tag lang vergeblich auf eine Weisung aus München, bevor man schließlich die Unterschrift unter den „KOMM–üblichen“ Mietvertrag leistete. Kurz nach der Verbotsverfügung erklärte Rechtsreferent Sauber dann zur allgemeinen Überraschung, man sei schon immer von einem „Verbotstatbestand“ ausgegangen und werde den Bescheid sofort vollziehen. Die BuKo habe man lediglich „aus Angst vor Krawallen“, die durch ein Verbot provoziert werden könnten, nicht verbieten wollen. In Wirklichkeit soll nach Aussagen der Veranstalter die Verwaltung jedoch am Verbot selbst gedreht haben. Ein Vermerk des Gesprächs zwischen Rechtsamt und Veranstalter landete am gleichen Tag beim Innenministerium. Darin heißt es, man zweifle an der Verlautbarung der Veranstalter, sie würden Aufrufe zu strafbaren Handlungen unterbinden. Diese Aussage übernimmt anschließend das Bayerische Innenministerium: „Anlaß zu dieser Befürchtung (daß Gewalttaten befürwortet werden, d. Red.) geben Unterlagen und Äußerungen der Veranstalter, die gegenteilige Aussagen als Lippenbekenntnisse erscheinen lassen.“ Als Lippenbekenntnisse stellen sich bisher die Stellungnahmen örtlicher SPD und Grünen heraus, denn der Handlungsspielraum des Stadtrats ist gering. Vollzug des Versammlungsgesetzes und Abschluß von Mietverträgen sind laufende Geschäfte der Verwaltung. Ein Viertel des Stadtrats kann zwar eine Ältestenratssitzung einberufen, doch die Terminierung obliegt dem parteilosen Oberbürgermeister Urschlechter. Außerdem hat die SPD bereits abgewunken, diese Sondersitzung zu beantragen. Laut Bernhard Kölbl, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, werde es zudem sehr schwierig sein, die Betroffenheit der Stadt in diesem Fall nachzuweisen. „Der parlamentarische Weg ist mit Sicherheit hier nicht der richtige.“ „Ich schließe nicht aus, daß wir noch eine weitere Erklärung abgeben“, war der einzige Kommentar des SPD–Fraktionsvorsitzenden Dr. Schönlein. Morgen wird sich nun das Verwaltungsgericht in Ansbach mit der BuKo auseinandersetzen müssen. Ob Franz–Josef Strauß seine Wahlkundgebung am Sonntag um 20.00 Uhr in der Nürnberger Frankenhalle in einer „sauberen“ Stadt, in der Ruhe und Ordnung herrscht, abhalten kann, darf gerade im Verbotsfalle bezweifelt werden. Die Mobilisierung nach Nürnberg läuft auf Hochtouren und die für Samstag um 10.00 Uhr geplante Demonstration soll auf jeden Fall stattfinden. Bernd Siegler/Wolfgang Gast