Schlappe für die Scharfmacher

■ Enttäuschung für die Krawallstrategen der CSU / Anti–AKW–Konferenz fand ohne Auseinandersetzung statt

Das wesentliche an der Bundeskonferenz der Anti–AKW–Initiativen an diesem Wochenende in Nürnberg war, so sahen es wohl auch die Veranstalter, daß sie überhaupt stattfand. Anders als kurz vor den Wahlen in Niedersachsen mußte die CSU diesmal auch auf wahlwirksame Prügelszenen zwischen Polizei und AKW–Gegnern verzichten, da der bayerische VGH zeitweilig das Verbot des Treffens aufgehoben hatte. Als es da

Nürnberg (taz) - Kolonnen von Wannen kreisen bevorzugt mit Blaulicht durch die Nürnberger Innenstadt. Gitter vor dem Polizeipräsidium, die Aufforderung des Einzelhandelsverband an die Juweliere, ihre Schaufensterauslagen zu reduzieren und die Verstärkung der Wochenendschicht der Ermittlungsrichter am Nürnberger Amtsgericht sind Ergebnis der vom Innenministerium angezettelten Kampagne gegen den „Terroristenbefürwortungskongreß“ BuKo. Doch das Kommunikationszentrum ist währenddessen brechend voll, Menschenmengen drängen sich durch die Gänge, vorbei an verbarrikadierten Türen, Büchertischen und Kaffeeständen. Möglich gemacht hat dies die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in München am späten Freitag nachmittag, die Bundeskonferenz der Anti–AKW–Initiativen im Nürnberger KOMM doch noch zu genehmigen. Den Richterspruch quittieren viele im KOMM Anwesenden mit Verwunderung und ihrem Verständnis von Gewaltenteilung: „Seit wann hat denn das Innenministerium den VGH nicht mehr im Griff?“ Angesichts der Auflagen, die die Münchner Richter den Veranstaltern auferlegen, bleiben die Jubelschreie verhalten. Zur namentlichen Benennung von Arbeitsgruppenleitern, die die Diskussion um strafbare Handlungen unterbinden sollen, kommen die Auflagen der Stadt Nürnberg hinzu, wie beispielsweise die Entsendung von Polizisten in Arbeitsgruppen. Außerdem darf die BRD nicht beschuldigt werden, die Ermordung von RAF–Gefangenen beschlossen zu haben. Nicht einmal die Existenz politischer Gefangener darf behauptet werden. Nachdem die Veranstalter schon vorher ausdrücklich vor der Entsendung von Beamten gewarnt und den Einsatzleiter für die Folgen verantwortlich gemacht hatten, verzichtet die Polizei schließlich darauf. „Wir wollen die Sache nicht eskalieren lassen“ (Pressesprecher Zothner). Als kurz nach dem Genehmigungsbescheid Wannen mit Blau licht vor dem KOMM auftauchen, um sich im danebengelegenen Mc Donalds mit Fast Food zu versorgen, beginnt eine lange Reihe von Räumungsgerüchten und -diskussionen, die den Verlauf der weiteren BuKo begleiten sollten. Die Verbarrikadierung von Türen ist dem KOMM–Sekretariat ein Dorn im Auge, doch setzt sich der Teil der AKW–Gegner durch, der dies für notwendig erachtet. Gute Stimmung herrscht bei der Auftaktveranstaltung im Festsaal, einer Veranstaltung zum Thema Repression und Sicherheitsgesetze. Die „größte Versammlung der außerparlamentarischen Opposition im Jahr 1987 unter widrigsten Bedingungen“ (Rolf Gößner) applaudiert vor allem Robert Jungk und Brigitte Heinrich, die namentlich in der Verbotsverfügung aufgeführt werden. Am anderen Morgen kommen statt der erwarteten 5.000 Teilnehmer nur ca. 3.000 zur Kundgebung und Demonstration vor die Lorenzkirche. Der Beschluß, die Route abzukürzen und lediglich den halben Kilometer zum KOMM zu marschieren, wird mit Pfiffen quittiert. Die Polizei hält sich zurück. Auch dann, als Brigitte Pabst von der BI Städtedreieck in der Oberpfalz ihr Resümee aus dem vergangenen Jahr WAA– Widerstand zieht: „Allein mit friedlichen Mitteln ist nichts zu machen.“ Eine Angehörige der politischen Gefangenen kann ungehindert die Isolationsfolter in den bundesdeutschen Knästen anprangern und Jutta Ditfurth vom Bundesvorstand der Grünen fordert dazu auf, die Sicherheitsgesetze lächerlich zu machen, „damit ihnen das politische Klima fehlt, um eine satte Anwendung zu finden“. Als Grußadresse aus Brokdorf wird eine Schraube aus einem der ersten demontierten Strommasten gezeigt. Unter dem Beifall der Anwesenden erklärt der Schrauber: „Ich stehe dazu.“ Im Spalier der 4.000 zusätzlich nach Nürnberg beorderten Polizisten geht es anschließend zum KOMM. Alle Zugänge zur Innenstadt sind hermetisch abgeriegelt. Neben einem Transparent „Hurra, der Anti– AKW–Kongreß ist da“ werden die Demonstratonsteilnehmer am KOMM mit einem Transparent begrüßt, das die Zusammenlegung der politischen Gefangenen fordert. Der Aufforderung nach Entfernung dieses Transparents kommen die KOMM–Leute nicht nach. Während der Bundeshauptausschuß der Grünen in einem Raum im Erdgeschoß des KOMMs tagt, verabschiedet im Festsaal ein Plenum von über 800 Personen zuerst als Grundlage der BuKo eine Resolution. „Wir akzeptieren diese Auflagen nicht“ heißt es darin. „Die BuKo wird so stattfinden, wie es beschlossen wurde, oder sie wird gar nicht stattfinden.“ Um einer schleichenden Gewöhnung an solche Auflagen vorzubeugen und um der Verantwortung für die weitere Entwicklung auch in anderen Bereichen des Widerstands gerecht zu werden, „gibt es für uns nichts zu taktieren“. Allgemeine Einschätzung ist es, bei der Durchsetzung der BuKo handele es sich nicht um einen Sieg des Rechtsstaates. Der Preis für ein Verbot sei für die bayerische Staatsregierung angesichts des großen Unterstützerkreises, des geschlossenen Auftretens und der inzwischen erreichten Publizität zu hoch gewesen. Erneuter Verbotsantrag Kaum daß die Resolution der Presse vorgestellt wird, tritt das Ordnungsamt der Stadt Nürnberg auf den Plan und fordert zur Einhaltung der Auflagen auf. Die Veranstalter verweisen auf einen Plenumsbeschluß, wonach es keine Arbeitsgruppenleiter gibt und deshalb auch solche gar nicht benannt werden können. Schließlich lehnt die Stadt es ab, die Auflagen mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Es seien lediglich Teilauflagen nicht erfüllt, außerdem spreche der bisher friedliche Verlauf der Veranstaltung gegen ein massives Eingreifen. Der Polizei sind die Hände gebunden, sie wartet weiter vergebens auf eine entsprechende Weisung der Stadt, einzuschreiten. Danach tagen die vorgesehenen Arbeitsgruppen mit zum Teil mehr als hundert Teilnehmern. Da die Räumlichkeiten des KOMMs nicht ausreichen, weichen einige in Nebenzimmer nahegelegener Gaststätten aus. In der Nacht zum Sonntag wird die scheinbare Ruhe durchbrochen. Auf Antrag der Landesstaatsanwaltschaftverhängt das Verwaltungsgericht in Ansbach wegen Verstoßes gegen die Auflagen erneut das Verbot der Bundeskonferenz. Die Anwälte der Veranstalter legen telegrafisch beim Verwaltungsgerichtshof, der um 9.00 Uhr zu tagen beginnt, Widerspruch ein. Auf Anfrage kündigt die Polizei an, die VGH–Entscheidung abzuwarten. Ungeachtet des juristischen Gerangels berät währenddessen das BuKo–Plenum weiter über die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen. Bernd Siegler/Wolfgang Gast