Schweiz: Tamilen droht Ausweisung

■ Angeblich keine Gefahr auf Sri Lanka / Unterbringung von Tamilen bei Familien / Kantonsregierung verweigert Vollzug

Berlin (taz) - „Das Boot ist voll.“ - Dieser Satz wurde bereits während des Zweiten Weltkriegs häufig gebraucht, wenn es darum ging, Flüchtlinge, damals vor allem Juden aus Deutschland, aus der Schweiz zurückzuweisen. Heute trifft es vor allem die Tamilen, etwa 4.000, die in der helvetischen Republik leben. Rund 400 von ihnen kommen aus dem Süden Sri Lankas und haben keine Chance, Asyl gewährt zu bekommen. Nach Ansicht von Justizministerin Elisabeth Kopp, der „Eisernen Lady von Bern“, besteht dort keine Gefahr für Angehörige der tamilischen Minderheit. Daß zahlreiche Berichte ihrer Einschätzung widersprechen, kümmert weder sie noch ihren Flüchtlingsdelegierten Arbenz. Doch als das Justiz– und Polizeidepartement, wie Kopps Ministerium in der eidgenössischen Amtssprache heißt, jüngst die Ausweisung von 30 Tamilen verfügte, stieß es auf unerwarteten Widerstand. Die zuständige Berner Kantonsregierung weigerte sich schlicht, der Anordnung Folge zu leisten und berief sich auf ein Widerstandsrecht. Im traditionell eher konservativen Kanton ist die Asylfrage zu einem Politikum ersten Ranges geworden, seit dort ein Ärzteehepaar mit der „Aktion für abgewiesene Asylbewerber“ in die Offensive gegangen ist und dafür eintritt, von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge privat Zuflucht zu gewähren. An einem „republikanischen Bankett“ hatten sich eine Reihe prominenter Personen mit dem engagierten Paar solidarisiert. In der Schweiz sind es vor allem die Kirchengemeinden, die sich der Flüchtlinge annehmen. Dabei schrecken sie auch vor Gesetzesbruch nicht zurück: Alle 30 Tamilen sind inzwischen bei Familien untergebracht und damit dem Zugriff der Ausländerbehörden entzogen. Sollte die Polizei sie dennoch holen, so ist für breite Medienresonanz gesorgt. Bei einem Besuch in Berlin berichtete der schweizer Pfarrer Schaedelin, wie gerade der persönliche Kontakt zwischen Schweizern und Tamilen bei seinen Landsleuten Empörung gegen die Abschiebepolitik von Ministerin Kopp ausgelöst hätte. „Wir könnten noch viel mehr Flüchtlinge aufnehmen“, teilte er stolz mit. Das wird auch nötig werden, denn die „Eiserne Lady“ bleibt nicht nur hart, sondern hat angekündigt, weitere 70 Tamilen abzuschieben, deren Asylantrag abgelehnt worden ist. Gleichzeitig gab sie bekannt, mit der Abschiebung bis nach der Internationalen Konferenz über Asylpolitik zu warten, die Mitte Februar in Gerzensee bei Bern stattfinden wird. Horst Eckert