P O R T R A I T Karriere mit Knick

■ Ellis Huber: Vom „Gesundheitstag“ zur Ärztekammer

Würde es das Amt des Ärztekammerpräsidenten nicht geben, man hätte es für den 39jährigen Ellis Huber erfinden müssen, denn auf seine Weise ist der erste „linke“ Präsident einer ärztlichen Standesvertretung schon seit Jahren ein klassischer Ärzte– oder besser gesagt - Gesundheitsfunktionär: Seit mehr als einem halben Jahrzehnt kennt man nicht nur in Berlin Ellis Huber eher als Gesundheitspolitiker denn als Arzt, und unumwunden gesteht der neue Kammerpräsident auch ein, daß ihm „Politik einen Heidenspaß macht.“ Als Mitbegründer des Berliner Gesundheitsladens hat er 1980 quasi aus dem Stand den ersten bundesweiten „Gesundheitstag“ in Berlin organisiert, der mit mehreren tausend Teilnehmern als Gegenveranstaltung zum traditionellen Ärztetag Furore machte. Gemanagt von Ellis Huber, hatten hier kritische Mediziner und im Gesundheitsbereich Beschäftigte zum ersten Mal ein öffentliches Forum, das Zeichen setzte auch in Richtung alternative Heilmethoden, ganzheitliche Medizin und Selbsthilfegruppen. Von der ersten Gegenveranstaltung zum offiziellen Ärztetag bis zum Sessel des Berliner Ärztekammer–Präsidenten kletterte Huber die Politikerleiter gradlinig bergauf - mit einem Einbruch allerdings: 1981 wurde er als Parteiloser für die AL erster alternativer Gesundheitsstadtrat im Bezirk Wilmersdorf. Als dann seine Amtszeit nach vier Jahren zu Ende ging, hatte er an dieser Art des Berufspolitikertums so viel „Blut“ geleckt, daß er sich trotz erbitterten Widerstands der örtlichen AL– Basis, die ihm Eitelkeit und Machtkungelei vorwarf, in Kreuzberg um den nächsten Posten als Gesundheitsstadtrat bewarb. Bis an die Grenzen der Selbstdemütigung kämpfte Huber um den neuen Posten und willigte schließlich ein, nur solange im Amt zu bleiben, bis eine geeignete Frau gefunden wäre.Aus dem Amt kickte ihn dann aber nicht eine weibliche Konkurrentin, sondern ein Immobiliengeschäft in Kanada, auf das Huber auf der Suche nach Steuerabschreibungsmöglichkeiten hereingefallen war. Er trat vom Stadtratsposten zurück und wurde nach kurzem Zwischenspiel beim Paritätischen Wohlfahrtsverband nun zum Ärztekammerpräsidenten gewählt. Obwohl auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten, wird die Person Ellis Huber als redegewandter, von sich und seinem politischen Programm überzeugter alternativer Ärztefunktionär sicher keine schlechte Figur auf dem öffentlichen Parkett machen. Konservative Gesundheitspolitiker und alteingesessene Halbgötter in Weiß werden hart an seinem unnachahmlichen Talent zu knabbern haben, ihnen linke Positionen und alternative Forderungen mit freundlichem Gesicht und pastoraler Eindringlichkeit um die Ohren zu „streicheln“. Vera Gaserow