Stadt Essen zum Volkszählen verurteilt

■ Regierungspräsident von Nordrhein–Westfalen hebt Essener Stadtratsbeschlüsse gegen die Volkszählung auf / Stadt liegt weit zurück bei den Vorbereitungen / Kosten werden auf sechs Millionen Mark geschätzt

Berlin (taz) - Trotz gegenteiliger Beschlüsse ihres Stadtrats wird nun auch die Stadt Essen „ihr“ Volk zählen müssen. Der Regierungspräsident Behrens von Düsseldorf hat jetzt zwei Beschlüsse des Stadtrates aufgehoben, wonach in Essen aus finanziellen Gründen keinerlei Vorbereitungen für die Zählung zu treffen seien. Die Beschlüsse sind nach Auffassung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten „rechtswi drig“, denn, „Gemeinden sind nicht berechtigt, ein Gesetz zu suspendieren“. Nach dem Beispiel Lübecks hatte im November 86 auch im Essener Stadtrat eine sozialdemokratische und grüne Mehrheit beschlossen, sämtliche Volkszählungsvorbereitungen zu stoppen. Angesichts eines 150 Millionen– Defizits im Stadtsäckel sei es nicht zu verantworten, daß der Steuerzahler auch noch zusätzlich sechs Millionen Mark für die Volkszählung berappen solle, hieß es in der Begründung. Anfang Januar hatte der Essener Oberstadtdirektor Kurt Busch (SPD) diesen Beschluß beanstandet und auf Änderung gedrängt mit dem Resultat, daß der Stadtrat am 21.Januar seine Ablehnung gegen die Volkszählung bekräftigt hat. „Wir müssen das wohl zur Kenntnis nehmen“, resigniert man jetzt in der Pressestelle der Stadtverwaltung auf die Anweisung des Regierungspräsidenten, „uns scheint keine andere Wahl zu bleiben“. Rechtliche Schritte gegen diese Weisung ließen sich nur noch durch einen Gang zum Bundesverfassungsgericht unternehmen. Ob sich die sozialdemokratische Stadtratsfraktion zu diesem Schritt entschließen wird und ob er Erfolgschancen hätte, ist mehr als fraglich. Nach Ansicht der Grün– Alternativen Liste im Essener Rat sei der Ratsbeschluß von seiten der Sozialdemokraten ohnehin „Spiegelfechterei“ vor der Wahl gewesen. Außerdem habe die Stadt doch schon Vorbereitungen für die Zählung getroffen, zum Beispiel seien schon für Januar vier Planstellen zur Vorbereitung der Zählung geschaffen und zusätzlich 22 Dienstkräfte dafür abgestellt worden. Trotzdem liegen die Essener mit ihren Vorbereitungen weiter zurück als in anderen Städten in Nordrhein–Westfalen. Während andernorts Zähler bereits zwangsverpflichtet werden, hat es in Essen bisher nicht einmal einen Appell gegeben, sich freiwillig zur Zählung zu melden. „Ob wir das noch alles schaffen bis zum Stichtag 25. Mai, weiß ich nicht“, meint der Pressesprecher der Stadt. In Lübeck hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Bürgermeisters einen ähnlichen Ratsbeschluß aufgehoben, keine Gelder für die Volkszählung bereitzustellen. Vera Gaserow