G A S T K O M M E N T A R Glaubwürdigkeit verloren

■ SPD in Hessen vor dem Scherbenhaufen

Die hessischen Sozialdemokraten sind wirklich nicht zu beneiden. Einst wollten sie die Grünen integrieren, um deren Wähler besser domestizieren zu können - und nun stehen sie vor einem Scherbenhaufen. Nach dem Verlust an Glaubwürdigkeit nach rechts durch das Zustandekommen einer Koalition mit den Grünen - trotz gegenteiliger Aussage - im hessischen Wahlkampf, droht ihnen nun der politische GAU. Nur mit einer glaubwürdigen rot–grünen Koalitionsaussage wäre die hessische sozialdemokratische Bastion vor einer Wendekoalition zu retten gewesen. Vierzehn Monate lang versuchten die Koalitionstrategen in der Wiesbadener Staatskanzl Der Ausstieg aus der Atomenergie, ob der sofortige oder „zehnjährige“, vernichtet Arbeitsplätze, die nur an den Fortbestand der Atomenergie gebunden sind. Eine Arbeitsplatzgarantie könnte nur bedeuten, daß sich die Hessische Landesregierung verpflichtet, die vom Bundesforschungsministerium mit 31 Millionen Mark jährlich subventionierten 477 Arbeitsplätze der Firma ALKEM in Hanau durch eine kühne und moderne Industriepolitik zu ersetzen. Nun sind die Modernen in der SPD am Zuge. Wo bleiben die Ratschläge des Frankfurter MdB Hauff, der selbst noch vor einigen Monaten von der Notwendigkeit der Schließung von ALKEM sprach. Sollte es jemals eine Chance auf tragfähige rot–grüne Koalitionen in diesem unserem Land geben, dann nur, wenn sich generell in der politischen Kultur etwas verändert. Man kann nicht allen gerecht werden. Am Beispiel der Hanauer Nuklearbetriebe ließe sich die „Architektur einer neuen Reformpolitik“ (Holger Börner) so wunderschön exemplarisch vorführen - rein in den Ausstieg, raus aus der unkontrollierten industriellen Entwicklung. Die SPD–Parole hieße dann: Für Lebensstandard und Lebenssicherheit einer rot–grünen Koalition, die dann gemeinsam gegen den Bonner Atomwahn politisch handeln könnte. Sollte dies nicht möglich sein, dann wird die SPD zu einer 30 Die SPD der 60er und 70er Jahre, die gerade von Holger Börner repräsentiert wird, muß zeigen, ob sie ihre Kultur, an gewerkschaftliche Wachstumsargumentationen gebunden, dergestalt verändert, daß sie auch den Arbeitnehmern die bittere Wahrheit notwendiger industrieller Veränderung klarmacht, diese aber durch eine gerechte soziale Absicherung und phantasievolle Innovationspolitik abgefedert wird, oder sie wird politisch untergehen. Eine traurige Perspektive, denke ich an Walter Wallmann . Daniel Cohn–Bendit