Stauer streiken

■ Gestern waren 1.500 Hafenarbeiter in Rotterdam im Ausstand / Schon seit drei Wochen Kampf gegen Massenentlassungen / Solidaritätserklärung der ÖTV

Rotterdam (taz) - 1.500 Hafenarbeiter (“Stauer“) waren gestern in Rotterdam im Streik. Vor dem Gebäude der Umschlagsfirma „Nedlloyd“ demonstrierten die Streikenden, weil diese Firma von ihren 6.000 Beschäftigten knapp 70 entlassen will. Der Vorstand der Gewerkschaft ÖTV, in der die deutschen Hafenarbeiter organisiert sind, hat den holländischen Kollegen per Telex seine Solidarität ausgedrückt. Über Maßnahmen wird die ÖTV in den nächsten Tagen beraten. Erst vor einem guten Jahr hatten die drei großen Rotterdamer Umschlagsbetriebe in einem Abkommen mit der Transportarbeitergewerkschaft FNV zugesagt, daß sie bis zum Jahr 1991 keine Arbeiter mehr entlassen würden. Doch schon Ende des vergangenen Jahres verlangten sie von den Betriebsräten die Zustimmung zur kurzfristigen Entlassung von 350 Stauern, weil es aufgrund neuer Technik im Hafen einen „Personalüberhang“ gebe. Für die Betriebsräte gibt es keinen solchen Überhang , und daß sie recht haben, „beweisen“ die Stauer seit dem 21 Januar: Immer dann, wenn die Arbeit am eiligsten ist, treten dringend benötigte Kolonnen in kurzfristige Streiks. Mit ihren Aktionen warten die Stauer immer solange, bis der Pool, die überbetriebliche Arbeitskräftereserve, leer ist. Das hat auch in der Öffentlichkeit Bedeutung, weil die Umschlagsfirmen ständig darauf verweisen, daß der Pool zu groß sei. Die Taktik der Kurzstreiks ist für die Unternehmer unberechenbar. Sie können den Streikfolgen kaum entgehen, indem sie Schiffe in Antwerpen oder den deutschen Nordseehäfen löschen lassen, weil sie nie wissen, wann die Stauer in den Streik treten. Außerdem ist diese Streiktaktik für die Gewerkschaft billig und kann lange durchgehalten werden, weil immer nur einzelne Kolonnen für kurze Zeit die Arbeit niederlegen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde 15 Stunden lang verhandelt, ohne Einigung. Immerhin steckten die Arbeitgeber zurück: Sie wollen nun nicht mehr 350, sondern nur 140 Arbeiter entlassen. Gestern verschärfte die FNV die Gangart: etwa 1500 Arbeiter waren den ganzen Tag über im Ausstand. Diese bewegliche und doch sehr zielstrebige Taktik der Gewerkschaft ist auf eine neue Funktionärsgeneration zurückzuführen. Streikführer der Rotterdamer Stauer ist der erst 32jährige Paul Rosenmöller, ein früherer Student. Michael Weisfeld