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Zehn Milliarden Dollar Strafe für Texaco–Oil

■ Der Ölgigant soll zahlen, weil er die Konkurrenz im Fusionswettlauf ausstach

Von Ulli Kulke

„Entsetzlich“ fand Texaco–Chef James Kinnear das Urteil eines texanischen Berufungsgerichtes. Aus seiner Sicht durchaus verständlich: Satte 8,53 Milliarden Dollar Schadensersatz sowie eine Milliarde Dollar Strafe muß der Konzern bezahlen für ein Vergehen, das im Zusammenhang zu sehen ist mit der zur Zeit grassierenden gigantischen Fusionswelle in der Geschichte der USA: 1984 hatte er die Getty–Oil Company dazu bewogen, eine bereits vereinbarte Fusion mit dem Konkurrenzunternehmen Pennzoil platzen und sich stattdessen für 10,1 Milliarden Dollar von Texaco schlucken zu lassen (siehe taz v. 10.12. „Dallas–Live“). Da die Schadensersatzforderung von Pennzoil bereits in einem ersten Urteil eines Houstoner Gerichtes 1985 grundsätzlich anerkannt wurde - seinerseit sogar auf 10,53 Milliarden Dollar ta xiert - kommt auf Texaco außerdem ein gehöriger Batzen an Zinsschulden hinzu. Schadensersatz, Strafe sowie Zinsen sind auf weit über zehn Milliarden Dollar zu veranschlagen, was immerhin dem Wert der gesamten Texaco–Aktien entspricht - und demnächst vielleicht sogar erheblich darüber liegen könnte: Texaco–Aktien gehörten jetzt nach der Urteilsverkündung am Freitag zu den größten Verlierern an der New Yorker „Wall Street“–Börse, deren Kurse ansonsten weiter in den Himmel stürmen. Aktien des Unternehmens im Wert von 6,05 Millionen Dollar wurden am letzten Börsentag der vergangenen Woche verkauft. Die Pennzoil–Aktien, von denen am selben Tag für 1,88 Millionen Dollar aufgekauft wurden, konnten dabei um 10,10 Dollar zulegen. Der Streit der Ölgiganten dürfte die Börse noch geraume Zeit beschäftigen. Leicht nachzuvollziehen, daß Texaco–Chef Kinnear jetzt ankündigte, man werde in die nächste Instanz gehen, notfalls zum obersten Bundesgericht der USA. Mit einem Handschlag hatte alles begonnen. Pennzoilchef Hugh Liedke schlug Anfang 1984 mit Paul Getty ein. Anschließend wurde öffentlich gefeiert - für Liedke alles in allem Vertrags genug für die verbindliche Vereinbarung darüber, daß er 20 Prozent von Getty–Oil übernommen hatte. Zu seinem Entsetzen mußte er dann zwei Tage später der Tagespresse entnehmen, daß Getty mit Texaco handelseinig geworden war: Der Getty– Konzern war von Texaco komplett geschluckt worden. Schon war der Streit da, Liedke und Unternehmen zogen vor Gericht, der Betrieb mit 2,24 Milliarden Dollar Jahresumsatz klagte auf Schadensersatz in Höhe von 14 Milliarden Dollar einklagen. Offenbar hat Liedke außer der Überlieferung des Handschlages kein Dokument zu bieten. Für die Gerichte aus dem Lande des wilden Westens reicht das nichtsdestotrotz für die Berechtigung des Anspruchs auf Schadensersatz. Der New Yorker Konzern will denn auch die texanische Gerichtsbarkeit, vor der man jetzt zum zweiten Mal unterlag, trotz seiner Namensverwandtschaft nicht anerkennen. Zwischenzeitlich focht er erfolgreich mit Hilfe seiner heimischen Gerichte gegen die Houstoner Justiz. Zur Zeit gültig ist jedoch deren Urteil, ob Kinnock jetzt vom drohenden Garaus für seinen Konzern spricht oder nicht. Für Texaco ist dabei die Getty– Übernahme selbst eine Frage des mittelfristigen Überlebens. Dem Konzern geht das Öl aus. Er braucht dringend neue Bohrmöglichkeiten, die man im Getty– Bereich vermutet. Die eigenen Reserven innerhalb der USA neigen sich dem Ende zu.

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