Carell belastet deutsch–iranische Beziehungen

■ Schließung des Goethe–Instituts und Ausweisung von Diplomaten wegen Fernsehsatire / „Weitreichende kulturelle, wirtschaftliche und politische Maßnahmen“ angekündigt / Irakische Botschaft jubiliert / Rudi Carell entschuldigt sich / Demo vor BRD–Botschaft in Teheran

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) -Rudi Carell hat es mit seiner satirischen Sonntagabend–Sendung „Rudis Tagesshow“ geschafft, die bundesdeutsch–iranischen Beziehungen in eine ernsthafte Krise zu stürzen. Einen Tag nach der Ausweisung zweier ranghoher Angehöriger der BRD–Botschaft in Teheran wurde nun gleich das gesamte Goethe–Institut am Ort von den iranischen Behörden geschlossen - zuständig für die deutsche Kulturarbeit im Ausland und somit offenbar mitverantwortlich gemacht für die mangelnde Sittlich keit in Carells Darbietungen. Anstoß der Kritik war eine Filmmontage in der Tagesshow, die suggerierte, daß Ayatollah Khomeini persönlich die Konfiszierung anzüglicher, von seiner Gesetzgebung her verbotener Kleidungsstücke überwachte und dem ganzen Akt obendrein noch die gehörige religiöse Weihe verpaßte. Nicht nur Khomeini, auch die „islamische Revolution“ sowie „die Muslime der Welt“ seien pauschal beleidigt worden, schrieb die iranische Nachrichtenagentur Irna. Rudi Carell hat sich gestern entschuldigt: „Wenn mein Gag mit dem Ayatollah Khomeini im Iran Verärgerung verursacht hat, bedaure ich das sehr und möchte mich beim iranischen Volk entschuldigen.“ In einer Presseerklärung bedauerte auch das Auswärtige Amt, daß die iranische Regierung sich von dem Fernsehspot so betroffen zeige, verwies jedoch auf die Pressefreiheit in der BRD. Staatsminister Möllemann hatte bereits am Dienstag mit dem iranischen Botschafter ein längeres Gespräch geführt, und Alterspräsident Willy Brandt meinte bei der gestrigen Eröffnung des Bundestages, daß es ihm leidtue, wenn hier die Gefühle anderer Völker verletzt worden seien. Irans Ministerpräsident Musavi griff nach einer Kabinettssitzung in Teheran gegenüber der Presse tief in die Kiste deutscher Zeitgeschichte: „Ein feindseliger Akt“ sei die Sendung, sie entspreche im übrigen der „rassistischen und faschistischen Politik Bonns“. Die Schließung des Goethe–Instituts sei „ein Beispiel dafür“, was der Iran unternehmen werde. Man sei nun gezwungen, „weitreichende kulturelle, wirtschaftliche und politische Maßnahmen zu ergreifen“. Mehrere hundert Studenten demonstrierten gestern rings um die Vertretung und forderten Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Bonn. Fortsetzung auf Seite 2 Das Gebäude wurde von der Polizei umstellt. Die iranische Botschaft in Bonn erklärte gegenüber der taz, man erwarte eine förmliche Entschuldigung durch die Bundesregierung. Das ganze habe mit Meinungsfreiheit nichts zu tun, hier liege Verunglimpfung vor. In der Mission liefen seit Sonntag die Telefone heiß. Hier ansässige Moslems von Pakistani bis zu Nordafrikanern würden ständig anrufen und sich über den 14–Sekunden– Fernsehspot ereifern. Es gibt allerdings auch Ausnahmen: Der Sprecher der Bonner Mission des Kriegsgegners Irak, Al Ubaidi, erklärte auf Anfrage: „Rudi Carell hat den Nagel auf den Kopf getroffen.“ Die Art, wie Khomeini seinen Leuten Vorschriften in der Kleiderfrage mache, sei in keiner Weise durch den Koran gedeckt. Die „normale Gepflogenheit“ wäre es doch jetzt, wenn Bonn seinerseits iranische Diplomaten aus dem Lande weise. Alle Moslems jedenfalls könnten schon allein deshalb nicht beleidigt worden sein, weil Khomeini „noch nicht einmal alle Schiiten“ vertrete, geschweige denn die gesamte islamische Welt. Trotz des Bedauerns im Auswärtigen Amt - ganz verstehen wird man die Aufregung im Iran wohl doch nicht: Hans–Dietrich Genscher habe neulich herzhaft gelacht, als Rudis Show ihn beim urinieren im Wald vermeintlich aufs Zelluloid gebannt hatte, bestätigte der Sprecher des Außenministeriums.