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Neonazi vorerst nur milde bestraft

■ Michael Kühnen kommt mit zwei Monaten Haftstrafe für Nebenklagepunkt davon / Hauptverfahren wegen Aktivitäten für verbotene neonazistische Organisation ans Bundesverfassungsgericht weitergeleitet

Hamburg (taz) - Wegen Verstoß gegen die Führungsaufsicht eines Gerichts ist Neonazi Michael Kühnen zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Anklage, die verbotene „Aktionsfront Nationale Sozialisten (ANS/NA) fortgesetzt zu haben, gab die Große Strafkammer 23 des Hamburger Landgerichts wegen der komplizierten Rechtslage an das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung ab. Nach Meinung der Kammer hat der nach wie vor überzeugte Nationalsozialist, der noch bis März 1988 eine Haftstrafe im hessischen Butzbach absitzt, die Organisationsstruktur der im Dezember 1983 verbotenen ANS tatsächlich „im wesentlichen“ aufrechterhalten. In der von ihm herausgegebenen Neuen Front und Kameradschaft habe er zur Bildung von „Leserkreisen“ aufgefordert, die nach gerichtlicher Feststellung weitgehend identisch mit den alten „ANS–Kameradschaften“ waren. Das Gericht wertete dies aber nur als Verstoß gegen das Vereinsgesetz. Bildung einer Ersatzorganisation für eine verbotene Gruppe, die mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann, sah die Kammer als nicht gegeben, weil das vom Innenminister erlassene Verbot durch eine inzwischen zurückgezogene Klage Kühnens noch nicht rechtskräftig war. Das Bundesverfassungsgericht soll nun über die Verfassungsmäßigkeit des „Übergangsparagraphen“ 20 des Vereinsgesetz entscheiden. Staatsanwalt Lund hatte in seinem Plädoyer neun Monate Haft gefordert, Kühnens Rechtsanwalt Jürgen Rieger Freispruch. Ein Weiterbetreiben der ANS sei ihm nicht nachzuweisen, weil es ausdrücklich Kühnens „Konzeption war, daß die ANS der legale Arm der nationalsozialistischen Bewegung ist“, denn „ihm war klar, daß er der Bewegung nur dann nützt, wenn er in Freiheit ist“. Der Verhandlung wohnten zahlreiche Neonazis, Skins und Antifaschisten bei. Die Knüppel, die die Polizei am Morgen vor dem Gericht beschlagnahmt hatte, wurden den Neo–Nazis - im Gegensatz zu den Antifas - wieder ausgehändigt. usche

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