Bundesdeutsche Alu–Industrie vor Schrumpfungsprozeß

■ Die Schließung der Alcan–Hütte in Ludwigshafen ist der Auftakt für ein Alu–Hütten–Sterben / Hohe Strompreise und durch den Dollarsturz gedrückte Weltmarkterlöse aktualisieren bestehende Verlagerungstendenzen / Die weltweiten Strategien der Aluminium–Hersteller konzentrieren sich auf Standorte in den Rohstoffländern

Aus Ludwigshafen Felix Kurz

Den deutschen Aluminium–Hütten steht eine gewaltige Schließungswelle bevor. Die kleinste hat es als erste erwischt. Ab Juni diesen Jahres bleiben die Öfen der Alcan–Hütte in Ludwigshafen kalt. Rund 340 Mitarbeiter sind davon betroffen. Bis auf wenige Ausnahmen werden die zum Teil hochqualifizierten Facharbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen. Den 18 Auszubildenden ermöglicht man beim benachbarten Unternehmen Giulini noch, ihre Lehre zu beenden - dann gehts ebenfalls zum Arbeitsamt - und die rund fünfzehn über 55jährigen haben nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden, Roland Walburg, „zumindest finanziell“ bis zum Erreichen des Rentenalters durch einen Sozialplan „ausgesorgt“. Mit sogenannten Aufhebungsverträgen hat der kanadische Aluminiumproduzent Alcan, der Größte der Welt, zu der auch die Ludwigshafener Dependance gehörte, rund 80 türkische Mitarbeiter und auch einige deutsche Kollegen zur „freiwilligen“ Aufgabe ihrer Arbeitsplätze geködert. Hohe Abfindungen lockten, dafür sparte der Konzern für diesen Teil der Ex–Belegschaft den Sozialplan. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Das Angebot des Alu–Riesen, in dessen Werken in Göttingen, Ohle, Lüdenscheid, Nürnberg oder Berlin weiterzuarbeiten, ist unrealistisch. Der 41jährige Betriebsrat Roland Walburg ist „müde“ und hat „resigniert“. Seit 1982 kämpft er für den Erhalt des Aluminiumwerkes, daß schon häufiger den Eigentümer wechselte. Nach dem Konkurs damals, ging das Unter nehmen an den Weltbranchenführer der kanadischen Alcan. Bei den 1,5 Millionen Tonnen Aluminium, die man jährlich weltweit umsetzt, fielen die 42.000 Jahrestonnen aus Ludwigshafen (6 Marktanteils in der BRD) kaum ins Gewicht. So sieht es auch Hans Endler in der für die BRD zuständigen Eschborner Alcan–Zentrale. Lediglich die Qualität der Hütte war von besonderer Güte. Schon 1983 wollte man das Werk schließen. Der erhöhte Strompreis sei dafür verantwortlich, hieß es, daß der Betrieb nur noch unrentabel weitergeführt werden könne. Die Arbeiter besetzten die Gießerei, als die Unternehmensleitung die Elektrolyseöfen abstellen wollte. Weil die Bundestagswahlen und auch die rheinland–pfälzischen Landtagswahlen ins Haus standen, machten Bund und Land acht Mio. DM locker, um das drohende „Aus“ zur Wahlzeit noch einmal zu verhindern. Die Besetzung hatte sich scheinbar gelohnt. Doch auf das perspektivische Konzept, daß die Politiker in Bonn und Mainz gleich mit versprachen, wartet die Belegschaft noch heute. Noch haben es die Konkurrenten von Alcan Ludwigshafen nicht ganz so schwer. Nur die Alu–Hütte in Rheinfelden, die zu Alu–Swiss, einem weiteren führenden Weltkonzern, gehört, hat die Produktion schon mal um 40.000 Jahrestonnen gedrosselt. Auch hier will man so Energiekosten sparen. In der Branche erwartet man, daß in den nächsten vier Jahren das große Hüttensterben losgeht. Mehr als die Hälfte wird aufgeben müssen und rund 6.000 bis 8.000 Beschäftigte ihren Erwerb verlieren. Daß die Aluminiumindustrie mit ihren insgesamt rund 60.000 Beschäftigten ganz der BRD den Rücken kehrt, gehört ebenfalls in das Denk–Szenario der Konzernstrategen. Bis 1990 laufen nämlich die langfristigen Strombezugsverträge zwischen den Energieversorgungsunternehmen (EVUs) und den Alu–Produzenten aus. Daß die Energiepreise dann steigen, gilt als ausgemachte Sache. Derzeit schwankt der Strompreis bei den einzelnen Unterneh men noch zwischen zwei und acht Pfennig pro Kilowattstunde. Bestätigt werden diese Dumping– Preise nie, denn „was muß der Handwerker in der Pfalz sagen, wenn er 15 Pfennig bezahlen muß“. Der Strompreis gehört deshalb zu „den bestgehüteten Geheimnissen“ im Aluminium–Milieu. Trotzdem wurde bekannt, daß der Alcan–Hütte in Ludwigshafen ein Strompreis von knapp acht Pfennig/Kilowattstunde zum Verhängnis wurde. Der deutsche Staatskonzern, die Vereinigten Aluminium–Werke (VAW) muß immer noch nur zwischen zwei und drei Pfennig berappen. Gemeinsam mit dem Alcan–Konzern betreibt der bundesdeutsche Branchenführer VAW übrigens die größte Aluminiumgießerei Europas in Neuss. Doch die Bundesrepublik ist zum ungünstigen Produktionsstandort geworden. Hohe Herstellungskosten und durch den Dollarverfall gedrückte Weltmarktpreise schmälern die Profite empfindlich. Der Schrumpfungsprozeß, der den Alu–Hütten bevor steht, ist in Japan längst gelaufen. Die weltweit operierenden Alu– Hersteller sind mit ihren Hütten bis auf 20 Nulltarif anbieten, allen voran Venezuela. Der südamerikanische Staat hat sich ein ehrgeiziges Programm vorgenommen und will bis zum Jahre 2000 einer der größten Aluminium–Exporteure der Welt sein, nicht zuletzt, um so seine Abhängigkeit aus den Ölexporten zu verringern. Bislang kommen 85 Ölexport. Venezuelas Optimismus ist begründet. Das Land verfügt über gewaltige Vorkommen des Aluminium–Rohstoffs Bauxit und nach der Inbetriebnahme des Wasserkraftwerkes Guri über den billigsten Industriestrom der Welt. Das erst 1978 gegründete Staatsunternehmen Venelum in Ciudad Guayana will man bis 1989 auf das größte Aluminiumwerk der Welt mit dann 435.000 Jahrestonnen erweitern. Konkurrieren können da allenfalls noch Brasilien und Kanada. Auch dort sorgen riesige Wasserkraftwerke für Billigstrom. „So billig kann in Europa niemand Strom produzieren“, heißt es bei Alcan, das in Kanada eigene Wasserkraftwerke betreibt. Mit von der Aluminium– Partie sind noch Ägypten und Norwegen. In der Bundesrepublik dagegen kann man mit all diesen Ländern in punkto Energiekosten nicht mithalten. Die Schmerzschwelle für die Alu–Konzerne ist bei den Strompreisen nämlich dann überschritten, wenn sie mehr als 25 Aluminium im Durchschnitt 14,5 Kilowatt. In Ludwigshafen schnellte der Energiekostenanteil auf 38 Bei Alcan ist man längst zu der Erkenntnis gekommen, daß es „keinen Sinn macht in Deutschland ein stromintensives Unternehmen zu betreiben“. Auch die Politiker könnten da ein Aluminiumwerk nicht retten, so Hans Endler von der Alcan–Zentrale gegenüber der taz. Seiner Meinung nach sei eine Grundstoffindustrie in der BRD kaum zu halten, weil dafür niemand einen „wettbewerbsfähigen Strompreis“ anbieten könne. „Sie wissen ja, wenn Sie heute hier Energie verbrauchen, sind Sie ja gleich ein Krimineller“, fügt er hinzu. Deshalb sei das „Auslagern“ von Betrieben notwendig. Auch der Ludwigshafener Alcan– Btriebsratsvorsitzende Roland Walburg wettert über die „verkehrte Strompolitik“. Aber ob nun Aluminium in der Bundesrepublik produziert werden soll, ist für ihn eine ordnungspolitische Frage. Und die will er von den Politikern beantwortet haben.