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Zurück zur „grünen Wiese“?

AKWs bergen nach ihrer Stillegung und dem Abtransport ihrer letzten Brennelemente noch ein gewaltiges Inventar radioaktiver Strahler. Der Radioaktivitätsgehalt eines großen Siedewasserreaktors (SWR) beträgt nach planmäßigem Betrieb mehr als zehn Millionen Curie (1 Curie entspricht 37 Milliarden Becquerel). Durch Stör– und Unfälle kann sich das Gefahrenpotential stillgelegter Reaktoren noch weit erhöhen, da nicht nur mehr Strahler enthalten sein können, sondern diese dann auch leichter flüchtig sind. Die Menge der oberflächlich anhaftenden statt relativ fest in Materialstrukturen eingebundenen Radioaktivität nimmt schon bei kleineren Unfällen deutlich zu. Nur in den ersten 20 bis 30 Jahren nach Stillegung eines Reaktors klingt dessen Strahlung merklich ab. Dann bleibt der Radioaktivitätsgehalt für viele hundert Jahre bei einem Zehntel des Anfangswerts nahezu unverändert. In ihrer Theorie unterscheiden Atomwirtschaft und Behörden drei Stillegungsvarianten: - den „Gesicherten Einschluß“, der ein Einschließen verbleibender radioaktiver Abfälle unter Beibehaltung des äußeren Erscheinungsbildes der Anlage bedeutet (die Anlagen muß überwacht werden), - die „Teilbeseitigung, mit gesichertem Resteinschluß“, die die Demontage einzelner Gebäude der Anlage mit einem Einschließen verbleibender radioaktiver Abfälle im Reaktorgebäude meint (die Anlage muß ebenfalls weiterhin überwacht werden), - die „totale Beseitigung“, die aus dem Standort eine „Grüne Wiese“ machen soll. In der Praxis allerdings sind Kombinationen aus diesen Varianten verbreitet - z.B. die „Grüne Wiese“ über dem Reaktorfundament oder ein vorübergehender Einschluß bis zur Beseitigung in ferner Zukunft. Einsetzbare Abrißtechniken reichen von konventionellen Zerlegungsmaßnahmen bis hin zu fernbedienten Schweißarbeiten unter Wasser oder vorsichtigem Absprengen von Spannbeton in einzelnen Schichten. Die Atomwirtschaft weist gerne auf „Erfahrungen“ mit der Beseitigung von Atomkraftwerken hin. Häufig preist sie die Beseitigung des Elk River Reactors in den USA. Dieser Reaktor war aber nur eine Demonstrations– Anlage mit einer elektrischen Leistung von 22,5 Megawatt (MWe). Die Radioaktivität betrug bei der Beseitigung nur etwa 10.000 Curie. Der Abriß eines großen und lange betriebenen Leistungskraftwerks ist bislang weltweit weder konkret geplant, noch praktisch realisiert worden. Inzwischen warten mehr als 100 stillgelegte Reaktoren auf ihren Abriß. Auch in der Bundesrepublik wurde bisher noch kein großes Atomkraftwerk beseitigt. Die Erfahrungen beruhen im wesentlichen auf der Entsorgung des ehemaligen Atomfrachters „Otto Hahn“ und der „Einmottung“ älterer Reaktoren, die irgendwann wieder zur Wiese werden sollen. Ein von 1968 bis 1977 in Lingen betriebener 252 MWe–Siedewasserreaktor wurde in den „gesicherten Einschluß“ überführt. Die Atomwirtschaft spricht davon, diesen Zustand 30 bis 40 Jahre aufrechterhalten zu wollen. Für das 1966 bis 1977 gelaufene AKW Gundremmingen A (237 MWe) wird die „Teilbeseitigung mit gesichertem Resteinschluß“ angestrebt. Das Zuzementieren des Unglücksreaktors in Tschernobyl kann ebenfalls nicht als erfolgreiche Stillegungsmaßnahme gelten. Dort wurde eine Grundvoraussetzung nicht erfüllt: Bei der Stillegung und Beseitigung einer Atomanlage muß nämlich die Strahlenschutzverordnung für Abrißpersonal und Anwohner eingehalten werden. Christian Küppers

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