Schwierige Regierungsbildung im neuen irischen Parlament

■ Heute Wahl des Regierungschefs / Dem Kandidaten der stärksten Fraktion Fianna Fail fehlen drei Sitze für die Mehrheit / Unterstützung für Fianna Fail nur ohne Parteiführer Haughey

Aus Dublin Ralf Sotschek

Heute wählt das irische Parlament den Regierungschef. Einziger Kandidat mit Aussichten auf den Schleudersitz ist Charlie Haughey, dessen oppositionelle Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) bei den Wahlen im Februar 81 Sitze errang - drei zu wenig für die absolute Mehrheit. So ist es durchaus möglich, daß keiner der Kandidaten bei der heutigen Wahl eine Mehrheit erhält. Die übrigen Parteien haben bereits erklärt, daß sie dem Fianna–Fail– Führer ihre Stimme verweigern werden. Die „progressiven Demokraten“ (PD), die Partei der rechten Mittelklasse, wäre bereit, Fianna Fails rigorose Sparpolitik zu unterstützen, aber nur, wenn Fianna Fail mit einem anderen Kandidaten antritt. PD, vor 16 Monaten aus einer Abspaltung Fianna Fails entstanden, wirft Haughey seinen zahlreichen politischen Skandale der Vergangenheit vor. Ausschlaggebend bei Abstimmungen im irischen Parlament ist bei Pattsituation der Sprecher, der heute zuerst gewählt wird. Er hat nur bei unentschiedenem Abstimmungsergebnis eine Stimme, die er traditionell der Regierung gibt. Wäre es Haughey gelungen, den Posten einem Abgeordneten der gegnerischen Partei anzuhängen, hätte das praktisch eine Stimme mehr für Fianna Fail bedeutet. Aber gewählt wird heute der unabhängige Abgeordnete Sean Treacy, dessen Stimme Haughey ohnehin sicher war. Haughey, der nicht nur von seinen Gegnern „il duce“ genannt wird, ist auf mindestens zwei der drei unabhängigen Abgeordneten angewiesen. Zünglein an der Waage ist der linke unabhängige Abgeordnete aus Dublin Mitte, Tony Gregory. Bereits 1982 hatte Gregory in der gleichen Situation Haughey ein Sanierungsprogramm für die Dubliner Innenstadt abgehandelt. Jetzt hat Haughey in Verkennung seiner Lage erklärt, daß er sich auf keinen neuen „Gregory–Deal“ einlassen werde, und auch Gregory betonte, daß er auf keinen Fall für eine rechte Regierung stimmen werde, deren Haushaltsplan starke Kürzungen im Gesundheits– und Sozialbereich vorsieht. Gelingt es Haughey heute nicht, sich eine Parlamentsmehrheit zu sichern, bleibt der bisherige Regierungschef FitzGerald vorerst weiter im Amt. Da sein Kabinett mit 51 Mandaten nicht regierungsfähig ist, müßten Neuwahlen ausgeschrieben werden - ein 10–Mio.–DM–Spaß, vor dem dem arg gebeutelten Steuerzahler graut. Fianna Fail könnte auch „il duce“ opfern, um mit einem weniger skandalträchtigen Kandidaten die Stimmen der progressiven Demokraten zu gewinnen.