Termingeschäfte dienen der Risikovermeidung

Um sich gegen Piraterie und Unbill der indischen Meere abzusichern, entwickelten Kaufleute aus Amsterdam, dem ersten Börsenplatz der Welt, im 17. Jahrhundert die Techniken des Terminhandels: für Waren, aber auch für Gold–, Geld– und Aktienlieferungen wurden Festpreise vereinbart. Für die Prämie, die er dem Verkäufer für die Preisgarantie zahlte, konnte sich z.B. ein Schokoladenfabrikant auf drei, sechs, neun oder zwölf Monate Kakao zu einem vereinbarten Preis sichern. Damit wälzte er jedes Risiko von sich, auch wenn die halbe Jahresernte einem Hurrican zum Opfer fiel. Dafür mußte er die Lieferung zum vereinbarten Termin abnehmen - auch wenn die Herbststürme ausgeblieben waren und Kakao preiswerter geworden war. Eine luxuriösere Art der Verlustbegrenzung - das Prämien– oder Optionsgeschäft – wurde ebenfalls in Amsterdam entwickelt und ist dank bewährter Technik bis heute im Gebrauch: der Käufer einer Option zahlt eine etwas höhere Prämie und erkauft neben dem gesicherten Preis auch das Recht, jederzeit von dem Geschäft zurücktreten zu können. Sein Risiko ist auf den Prämien–Einsatz beschränkt (während der Schoko– Fabrikant den Kakao notfalls auch zu einem überhöhten Preis abnehmen muß). Nicht minder gefährlich als die Seefahrt im 17. Jahrhundert ist heute das Schippern in den Kurswellen des internationalen Geldmarktes: die Unwägbarkeiten der frei floatenden Devisenströme und wechselnden Kurse. „Swap– Sätze“ und Währungsparitäten machen eine Voraussage, wie sich beispielsweise der Dollarkurs in den nächsten Monaten entwickelt, nahezu unmöglich. Erfolgt sie doch, ist sie etwa so brauchbar wie eine Wettervorhersage für das nächste halbe Jahr: also etwas für Spekulanten. Darauf wird sich ein Export–Unternehmen, das Zahlungseingänge in Devisen erwartet, nicht verlassen. Falls es während dieser Zeit ein Kursrisiko für die erwarteten Fremdwährungs– Eingänge fürchtet, wird es die Devisen im voraus per Termin verkaufen. Umgekehrt wird sich das Unternehmen, falls Zahlungen in der Fremdwährung zu leisten sind und ein Kursanstieg zu erwarten ist, im voraus Devisen zum aktuellen Kurs einkaufen. Der Preis für das Termingeschäft oder die Option setzt sich aus den Faktoren „Laufzeit“, „zum Termin vereinbarter Preis bzw. Kurs“ und „aktueller Preis bzw. Kurs“ zusammen. Um eine Million Dollar gegen den Kursverlust von zwei Cents zu sichern, wird eine Optionsprämie fällig, die aus dem „Inneren Wert“ der Option (der Differenz zwischen vereinbartem Kurs und Tageskurs, hier: eine Mio Dollar x zwei Cents) und ihrem „Zeitwert“ besteht. Der „Zeitwert“ ist der (beliebige) Betrag, den die Käufer (spekulativ) zu zahlen bereit sind, weil sie darauf hoffen, daß der Dollar um mehr als zwei Cents fällt, das Optionsrecht also mit Gewinn an der Börse verkauft oder ausgeübt werden kann. Steht der Dollar zum vereinbarten Termin immer noch auf demselben Stand, wird der (spekulative) Zeitwert gleich null, denn niemand wird die eine Million Dollar für mehr als den Tageskurs kaufen wollen. Optionen stellen nicht nur ein Instrument zur Verlustbegrenzung dar, sie werden auch börsentäglich ge– handelt und mit der Hoffnung auf Spekulationsgewinne gekauft. Durch das Eingehen von sogenannten „Spreads“, Bündel verschiedener Kauf– bzw. Verkaufsoptionen, können sowohl Risiko als auch Gewinnchancen eindeutig definiert und abgesichert werden - eine Strategie, die Devisenhändler eines Unternehmens mit zwei bis drei Milliarden Dollarumschlag im Jahr perfekt beherrschen müßten. Um so erstaunlicher ist die Meldung des „Platow–Dienstes“, daß von der VW– Konzernspitze bis in das Jahr 1986 hinein die Weisung bestand, Kurssicherungen nicht vorzunehmen. Trauten sich Käptn Hahn und seine Crew etwa zu, die Kurswellen der Devisenströme im Weltwährungsmeer im Einhand–Segler zu meistern? Die holländischen Tobakhändler im 17. Jahrhundert hätten nur gelacht... Matthias Bröckers