: Wie Arbeitslose in die Schrottmühle geraten
■ Gepriesen als kommunale Beschäftigungsinitiative im Rahmen des SPD–Bundesprogramms „Arbeit und Umwelt“, fördert die Stadt Dortmund 20 Arbeitsplätze und die private Karriere eines „Spesenritters“ / Das Rechnungsprüfungsamt wurde inzwischen eingeschaltet
Aus Dortmund Petra Bornhöft
„Sozial und ökologisch“ sollte die von der Stadt Dortmund 1985 gegründete „Arbeit und Umwelt GmbH“ wirken, qualifizierte Ersatzarbeitsplätze für Hoesch– Stahlwerker schaffen sowie Innovationen im Umweltbereich entwickeln. Großzügig gewährten Stadt, Arbeitsamt und das Land Zuschüsse, Kredite und Bürgschaften in Höhe von acht Millionen Mark für neue Ideen in der Hausmüllbeseitigung und Autodemontage. Keine zwei Jahre brauchte dann der hochdotierte Geschäftsführer dieser Gesellschaft und Schrottexperte Willi Ahlmann, um den Laden herunterzuwirtschaften und der Mehrzahl von noch 53 ABM–Kräften die Hoffnung auf einen Dauerarbeitsplatz zu rauben. Der von den Grünen zum „Spesenritter“ gekürte Firmenboß fühlt sich allerdings als Opfer „gemeiner Polemik“. Vor ihm habe es „noch keiner geschafft, vernünftige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sinnvoll zu organisieren“, rühmt sich Ahlmann gegenüber der taz. Zunächst klaute er Ideen und ließ in Hoesch–Werkstätten (funktionstüchtige) Papier– und Glascontainer entwickeln und von „seinen“ Arbeitern dann bauen. Das einzig Neue an den Behältern ist ihre sechseckige Form. Selbst die SPD, die das Projekt zunächst als ein Beispiel des Bundesparteiprogrammes „Arbeit und Umwelt“ durchsetzte, zieht den Erfolg dieser Innovation in Zweifel. Nach Angaben des Dortmunder SPD–Fraktionsgeschäftsführers „könnte auch der städtische Fuhrpark die Müllbeseitigung durchführen“. Positiv indes beurteilen die Genossen die neue „Autodemontage“. Was für die Grünen ein „stinknormaler, aber hochsubventionierter Schrottbetrieb“ ist, nennt Geschäftsführer Ahlmann einen „völlig neuartigen Musterbetrieb“. Nicht draußen, sondern in einer betonierten Halle nehmen Arbei ter die Rostbeulen auseinander und füllen die Betriebsstoffe in getrennte Behälter. Für die SPD ist das eine „einzigartige, vom Regierungspräsidenten genehmigte PKW–Entsorgungsanlage“. Fachleute vermuten immerhin, daß es sich hier um einen der wenigen Autofriedhöfe handelt, die den neuen Vorschriften des Abfallbeseitigungsgesetzes genügen. Als lukrativ erwies sich das Unternehmen wohl für einen Schrottverwerter aus Hannover, offiziell als „Demontage–Berater“ engagiert. Er läßt die Autos sorgfältig zerlegen und zahlt für verwertbare Ersatzteile einen „Schrottpreis“, behaupten die Grünen. Gegen sie will Ahlmann jetzt juristische Schritte einleiten. Auch darin hat er Erfahrung. Denn der Inhaber von SPD– und Gewerkschafts–Mitgliedsbüchern (im Ruhrgebiet bekanntlich alles entscheidende Qualifikationsnachweise) machte die kommunale Beschäftigungsinitiative bekannt durch eine Reihe von gescheiterten Arbeitsgerichtsverfahren. Allein gegen drei Betriebsräte stellte er fünf Anträge auf fristlose Entlassung, er erteilte Hausverbote und Abmahnungen. Geduldet oder sogar betrieben von Ahlmann und in Kenntnis der IG Metall unterstützten Dreiviertel der Beschäftigten öffentlich die Absetzung des Betriebsrates - und wählten in geheimer Wahl drei von vier erneut kandidierenden Interessenvertretern wieder. Enttäuscht und verschüchtert zeigen sich viele Beschäftigte, denen der Geschäftsführer „Qualifizierung“ und „genossenschaftliche Mitbestimmungsformen“ versprochen hatte. Davon will Ahlmann nichts mehr wissen. Ob auf Ölunfälle, fehlende Entwicklung neuer Recycling–Techniken oder insgesamt schlechte Betriebsergebnisse angesprochen - schuld daran sind „die Langzeitarbeitslosen“, „arbeitsunwilliges Personal“ und dessen „Gleichgültigkeit, Unachtsamkeit oder mangelnde Qualifikation“. Erfahrene Kritiker haben die Dortmunder schon vor Jahren gewarnt, ein solches Projekt ohne neue Arbeitsformen zu starten. Einzige, kleinlaute Antwort der SPD auf die Misere bei „Arbeit und Umwelt“: Das Rechnungsprüfungsamt soll die großzügigen Abrechnungen des Herrn Ahlmann prüfen. Vorher werde sich die Partei, so ein Sprecher, nicht äußern. Im übrigen favorisiere die SPD, den Betrieb nach Abschluß der Maßnahme im September 1987 zu privatisieren. Da wird der wendige Schrottexperte sich freuen. Denn seine Klitsche, in der er gegenüber dem Arbeitsamt 20 Dauerarbeitsplätze nachweisen muß, hat es immerhin geschafft, die neuerdings erforderliche Betriebsgenehmigung vom Umweltamt und Regierungspräsidenten zu erlangen. Ein unschätzbarer Marktvorteil gegenüber anderen Autoverwertern und ein durchschlagender Erfolg der kommunalen Wirtschaftsförderung in Dortmund.
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