Metaller–Streik wird wahrscheinlich

■ IG Metall beharrt auf 35–Stunden–Woche / IG Chemie hat Bedenken bei Solidaritätskampagne / Metall und Chemie gegen Samstagsarbeit / Solidaritätsaufruf an die außergewerkschaftliche Oppositionsbewegung

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Die Industriegewerkschaft Metall (IGM) hat in Erklärungen führender Funktionäre signalisiert, daß sie zwar bei den Löhnen und Gehältern Kompromißspielraum sieht, aber von ihrer Forderung nach der 35–Stunden–Woche nicht abrücken will. Um die Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen, sollen in den kommenden Wochen die Warnstreiks intensiviert werden, erklärte der IGM–Tarifpolitiker Klaus Zwickel. Der Hamburger Bezirksleiter Teichmüller meinte in einem Interview: „Der Lohntarif ist verhandlungsfähig.“ Bei der Arbeitszeit müsse „am Schluß die 35 stehen“. Allerdings hat die IGM in den letzten Verhandlungsrunden deutlich gemacht, daß sie bereit ist, auf einen Stufenplan bei der Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden einzugehen. Die Festlegung der Gewerkschaft in dieser Hinsicht beruht auf der Einschätzung, daß die Gewerkschaft kaum in der Lage sein dürfte, in ein paar Jahren zum dritten Mal für das Ziel der 35–Stunden–Woche zu mobilisieren. Gleichzeitig gilt als sicher, daß die Endzahl 35 auch in diesem Jahr ohne Arbeitskampf kaum durchzusetzen ist, zumindest dann, wenn die Gewerkschaft sich weiterhin strikt gegen die extremen Flexibilisierungsforderungen der Arbeitgeber stemmt. Der Mitarbeiter der Tarifabteilung in der IGM–Zentrale, Schauer, hat am Wochenende auf dem Kongreß des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS) zur Beteiligung der außergewerkschaftlichen Oppositionsbewegung an der Solidaritätskampagne der Gewerkschaften für die kalt Ausgesperrten aufgerufen (siehe Dokumentation auf S. 4). Gegen diese Kampagne unter der Federführung des DGB sind aus der Industriegewerkschaft Chemie Bedenken laut geworden. In einem Rundschreiben gibt der IG Chemie–Hauptvorstand die Sorge zu erkennen, in den „Solidaritätsausschüssen“ könnten sich politische Gruppierungen breitmachen. „Mit einer Reihe von politischen Gruppierungen können wir unserer Ansicht nach in keinem gemeinsamen Ausschuß zusammenarbeiten“, heißt es in dem Schreiben, das offensichtlich auf die DKP, aber auch auf die Grünen zielt. Der Bezirksleiter der IG Chemie in Nordrhein– Westfalen, Purwien, schrieb in einem Brief an den DGB–Vorsitzenden Einzelgewerkschaften müßten ausreichen. Einen weiteren Konflikt zwischen IG Metall und IG Chemie haben die beiden Vorsitzenden Steinkühler und Rappe vorläufig entschärft. Samstagsarbeit, so erklärten sie gemeinsam, sei grundsätzlich nicht wünschenswert. Jedoch gebe es tariflichen Handlungsbedarf in jenen Bereichen, in denen Samstagsarbeit unumgänglich sei. Der IG Chemie–Tarifpolitiker Horst Mettke hatte kürzlich noch ausdrücklich Samstagsarbeit befürwortet, wenn sie in ein „vernünftiges“ Schichtsystem eingebaut sei.