Wojtyla, befrei uns vom Tyrannen!

■ Chiles Diktator Pinochet empfing den Papst am Flughafen / Johannes Paul II. vermied in seiner Begrüßungsrede jede politische oder kritische Stellungnahme / 800.000 Chilenen säumten seinen Weg / Polizei ging mit Tränengas gegen Demonstranten vor

Santiago (afp/ips/taz) - In der Gala–Uniform eines Generals hieß Chiles Diktator Pinochet am Flughafen von Santiago Papst Johannes Paul II. willkommen, der am Mittwochabend zu einem sechstägigen Besuch des Landes angekommen war. In seiner Begrüßungsansprache erklärte Pinochet an den Gast gewandt: „Ihr kennt die äußerst schwerwiegende Aggression und die Belagerung, der Chile durch die expansionistische ausländische Aktion der extremsten materialistischen und atheistischen Ideologie, die die Welt je gekannt hat, ausgesetzt war und noch ausgesetzt ist.“ Johannes Paul II. hörte sich dies ohne sichtliche Reaktion an. In seiner Erwiderung vermied er jede Stellungnahme, die als Billigung der Diktatur hätte gewertet werden können, und würdigte stattdessen den Kampf der chilenischen Kirche, der dem „Sieg des Guten über das Böse“ gelte. Pinochet gab dem Papst nach dessen Ansprache nicht erneut die Hand, wie dies zuvor nach der Rede des Generals geschehen war. Nach diesem ersten Wortwechsel bestieg Johannes Paul II. sein Papstmobil, um die 25 Kilometer lange Strecke ins Stadtzentrum zurückzulegen. 800.000 bis eine Million Chilenen säumten seinen Weg. „Todo el mundo te quiere“ - „alle lieben dich“, schrien sie. Während der Papst dann in der Kathedrale den versammelten Bischöfen empfahl, sich ganz besonders dem „Sakrament der Aussöhnung“ zu widmen, kam es draußen auf der Straße zu ersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. „Freiheit, Freiheit“, und „Wojtyla, Bruder, befreie uns vom Tyrannen“, schrien die einen und warfen Steine, die andern setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. Der Papst indes segnete Fotos von Opfern der Repression und eine Bibel, die für einen Gefangenen bestimmt war, und begab sich per Drahtseilbahn auf den Hügel San Cristobal. Er stellte sich wurden im Osten der Hauptstadt Geschäfte geplündert. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Am Donnerstag (nach Redaktionsschluß) traf sich der Papst mit Pinochet unter vier Augen in der Moneda, dem Regierungspalast, in dem 1973 der damalige Präsident Salvador Allende ums Leben kam. Anschließend will er ein Armenviertel aufsuchen, in die Hafenstadt Valparaiso reisen und am Wochenende im Nationalstadion von Santiago, das nach dem Putsch Pinochets als Konzentrationslager gedient hatte, auftreten. Für diese Großveranstaltung hatten die Militärs 8.000 Eintrittskarten geordert. Nachdem die kirchliche Vorbereitungskommission den „Demonstranten in Uniform“ nur 1.000 Karten für das 80.000 Person fassende Stadion überließ, erhielt sie auch diese zurück. Sie wollten nicht gegen ihren Willen Anlaß zu „Kundgebungen politischen Charakters“ bieten, begründeten die Militärs ihren Verzicht. thos