Wer in der Heimat Buße tut, braucht kein Asyl

■ Ein Sachbearbeiter aus Zirndorf, zuständig für die Asylgesuche von Iranern, hat sich augenscheinlich genauer mit dem Koran befaßt / Mehrere Asylanträge iranischer Flüchtlinge wurden von ihm abgelehnt, weil Chomeini „kleine Sünden“ verzeiht

Von B. Nirumand / V. Gaserow

Berlin (taz) - Mit der Begründung, sie könnten sich ja durch Reuebekenntnisse und Loyalitätserklärungen gegenüber dem iranischen Mullahregime vor Verfolgung und Strafe schützen, hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf die Asylanträge mehrerer Iranerinnen und Iraner abgelehnt. Wörtlich begründet der zuständige Beamte im Bundesamt, Lensch, seine Entscheidungen mit den Sätzen: „Nach den hier vorliegenden Erkenntnissen würde der Antragsteller bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgefordert werden, sein Tun zu bereuen. Dieses Vorgehen ist aus dem Koran und dem Handeln der schiitischen Imams abgeleitet und hat in der Praxis iranischer Rechtsprechrung eine feste, unangefochtene Stellung. Durch dieses Reuebekenntnis würde der Antragsteller straffrei bleiben, da sein Vergehen erstmalig und reuefähig ist.“ Aus „einer Vielzahl von Anhörungen“ weiß Islam–Kenner Leschner im bayerischen Zirndorf außerdem, „daß sogenannte Loyalitätsbestätigungen durchaus vor Strafe schützen können.“ Um der Bundesrepublik einen weiteren Asylsuchenden zu ersparen, verlangt Asyl–Entscheider Lensch damit von „seinen“ Antragstellern eine Bejahung der Islamischen Republik. Statt von über zehntausend Hinrichtungen, Folterungen, barbarischen Verstümmelungen und einem mörderischen Krieg, in dem schon Kinder als Kanonenfutter eingesetzt werden, weiß Asyl–Entscheider Lensch von „Hohen iranischen Politikern und Geistlichen“, die „immer wieder betont haben, daß im Ausland lebende Landsleute ohne Bedenken in ihr Heimatland zurückkehren könnten, da kleine Sünden verziehen würden.“ Bei so viel Vertrauen in die iranische Staatsmacht, sorgt sich Lensch auch um die militärische Stärke des Chomeini–Regimes. Einem asylsuchenden iranischen Offizier, der in die Bundesrepublik geflüchtet ist, weil er den Krieg gegen den Irak für einen Wahnsinn hält und sich nicht an dem gegenseitigen Massenmorden beteiligen will, erteilte er eine Absage mit der Begründung: „Es ist das Recht eines jeden Staates, die Verteidigungsfähigkeit seines Landes aufrechtzuerhalten und zu diesem Zweck geeignete Straf– bzw. disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, um ordnungsgemäße Ableistung des Militärdienstes, insbesondere im Kriegsfall, zu gewährleisten. Jeder Offizier, der im Kriegsfall die Ausübung bestimmter Befehle verweigert“, so Lensch weiter, „muß damit rechnen, daß gegen ihn ein Verfahren wegen Befehlsverweigerung eingeleitet wird.“ Asylrecht lich relevant würde eine solche Strafe jedoch nur, wenn sie darauf abzielt, „in der Person des Antragstellers einen politischen Gegner zu treffen.“ „Unpolitische“ standrechtliche Erschießungen oder Folterungen von Fahnenflüchtigen des Iran–Irak–Krieges wären mithin ein Risiko, dem sich Asylsuchende aussetzen müßten und das sie ja durch pflichtbewußte Befehlsausführung vermeiden könnten. „Vielleicht ein bißchen bedenklich“ und eine Entscheidung, „die aus dem Rahmen fällt“, nennt der Vorgesetze von Herrn Lensch, Gruppenleiter Blumentritt, diese Ablehnungsbescheide. Ebenso wie die anderen 20 Asylentscheider, die im Bundesamt Zirndorf für die Asylgesuche von Iranern zuständig sind, genieße auch Herr Lensch „richterliche Unabhängigkeit“. Die Asyl–Entscheider würden ein halbes Jahr lang allgemein auf ihre Arbeit vorbereitet, allerdings beziehe sich diese Schulung allgemein auf das Asylrecht. Sich über die Situation in den einzelnen Verfolgerländern zu informieren, bleibe den Beamten selber überlassen. Aus „dem Rahmen fallende Entscheidungen“ würden höchstens im persönlichen Gespräch diskutiert. Eine „Korrektur“ durch Vorgesetzte könne jedoch nicht stattfinden. Wenn eine Entscheidung „zu weit geht“, könne sie ja durch die Verwaltungsgerichte als nächste Instanz wieder aufgehoben werden, tröstet Abteilungsleiter Blumentritt.