Hasselbach–Blockierer bestraft

■ Amtsgericht Simmern verhängt Geldstrafen zwischen 1.200 und 2.100 Mark für vier Angeklagte / Richter zeigt sich verwirrt durch das Verfassungsgerichts–Urteil

Aus Simmern Rolf Gramm

Geldstrafen zwischen 1.200 Mark und 2.100 Mark we gen „gemeinschaftlicher Nötigung“ verhängte das Amtsgericht Simmern im Hunsrück am Mittwoch abend gegen insgesamt vier Teilnehmer an den Blockaden der Friedensbewegung vor der cruise–missiles–Station Hasselbach im November letzten Jahres. Insgesamt 159 Demonstranten wurden seinerzeit von Polizeibeamten weggetragen. Auf der Anklagebank befanden sich als erste Angeklagte eine Sozialpädagogin und drei Geistliche. Die vier Angeklagten hatten sich mit etlichen anderen frühmorgens am 21. November vor das Tor 2 der „Todesbasis“ Hasselbach gesetzt und Baustellenfahrzeuge an der Einfahrt gehindert. Alle vier bekannten sich vor Gericht zu ihrer „Tat“, zu der sie „von ihrem Gewissen genötigt gewesen seien“. Pfarrer Dahl erklärte, er führe seit August 1983 an jedem Wochenende bei diesem Tor Gottesdienste durch. Er habe dabei auch die Ohnmacht von Gläubigen erlebt, „die wissen, daß, was da gebaut wird, ihrem christlichen Glauben widerspricht“. Durch die gewaltfreie Blockade habe man deutlich machen wollen, daß die Menschen mit dieser Politik nicht einverstanden seien. Richter Hans–Georg Göttgen führte in seiner unsicher vorgetragenen Urteilsbegründung aus, er „hätte nichts lieber getan, als die Angeklagten freizusprechen“. Das Bundesverfassungsgericht habe durch seine „unklare Entscheidung“ zum Nötigungsvorwurf bei Blockaden ihm als Strafrichter „den schwarzen Peter zugeschoben“. Die Argumentation der Verteidigung habe ihn „beeindruckt und beinahe schwankend gemacht“. Aber solche „psychische Gewalt wirkt genauso wie andere“. Wenn man das zulasse, „das gibt das Chaos“. Verwerflich sei die Blockade der Angeklagten insbesondere wegen ihrer langen Dauer von einer halben Stunde und der lang geplanten Vorbereitung. Auch Staatsanwalt Halfmann hatte zuvor in beim Publikum Heiterkeitsstürme auslösenden Worten die Rechtsunklarheit nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts beklagt. Da gebe es jetzt Regelungen, „die kein Mensch mehr versteht - ich auch nicht“. Als „Frontstaatsanwalt“ müsse er jetzt mit diesem „Rechtschaos“ zurechtkommen. Seiner Privatmeinung nach seien gewaltfreie Blockaden aber strafwürdiges Unrecht, weil die Demonstranten dabei Rechte in Anspruch nähmen, die sie anderen nicht zugestünden. Er forderte für alle Angeklagten je 30 Tagessätze zwischen 50 und 80 DM. Der Bonner Strafrechtsprofessor Grünwald, Verfassungsgericht, der jetzt in Simmern als Verteidiger auftrat, hatte auf Freispruch plädiert. Die Behauptung, so Grünwald, daß das Handeln der Blockierer verwerflich sei, könne nicht aufgestellt werden. Für eine derartige Wertung sei ein Konsens „aller billig und gerecht denkenden Menschen“ über die Verwerflichkeit notwendig. „Wenn das Gericht heute bestraft, sagt es damit, die vier Verfassungsrichter, die friedliche Blockaden nicht als Nötigung werteten, gehören nicht zu diesen gerecht denkenden Menschen.“