Danao wird vom Durano–Clan beherrscht

■ Wie eine philippinische Kleinstadt sich auf den blutigsten Wahlkampf aller Zeiten einstellt / Die Pistolenindustrie hat Hochkonjunktur / Liebgewonnene Monarchien werden verteidigt / Rechte Klüngelbrüder und Paramilitärs machen mobil

Aus Danao Mark Fineman

Leopoldo Ruiz ist ein Meister seines Fachs. 30 von seinen 42 Lebensjahren hat er damit verbracht, fast perfekte Nachbildungen von Markenrevolvern herzustellen. Über seine alte Werkbank in einer baufälligen Hütte gebeugt, feilt und poliert er 14 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche an 38–kalibrigen Smith and Wesson– Modellen herum oder gibt einem 45er Colt den letzten Schliff. Für einen Revolver braucht er alles in allem rund vier Tage. Aber wie der eifrige Waffenschmied auch ackern mag, zur Zeit kommt er mit der Produktion nicht nach. Noch nie haben so viele Kunden so schnell so viele Schießwerkzeuge verlangt. Seine Erklärung für den unverhofften Boom ist simpel: „Wahrscheinlich hängt das mit den Wahlen zusammen“. Der Urnengang am 11. Mai, bei dem über die Zusammensetzung des neuen Parlaments abgestimmt werden soll, wird - so fürchtet er - mit mehr Gewalt verbunden sein als irgendeiner der vorhergehenden und das hängt mit dem Sturz von Ex–Diktator Marcos zusammen: „In der Vergangenheit kontrollierte ein Mann das Land. Jetzt ist er weg und die Leute sind zerstrittener denn je. Jeder will die Macht und Pistolen bedeuten Macht“. Natürlich ist die Herstellung der Waffen nicht legal und so weiß niemand, wieviele Knarren die schätzungsweise 10.000 Pistoleros, wie die Waffenschmiede in dieser ungewöhnlichen Kleinstadt an der rauhen Ostküste der Insel Cebu genannt werden, in ihren Hinterhofklitschen produzieren und verkaufen. Seit die Amerikaner das Know–how vor 80 Jahren herbrachten, wurden wahrscheinlich zig Tausende von Waffen in alle Teile der Philippinen und sogar bis Chicago und Japan verschifft. Aber, so versichern Ruiz und seine Kollegen übereinstimmend, in diesen Tagen dient der größte Teil der Produktion dem lokalen Bedarf. Die Congresswahlen waren schon im mer eine blutige Angelegenheit, und diesmal steht in Danao mehr auf dem Spiel als je zuvor: die Vorherrschaft der Familie Durano nämlich, die die Stadt seit ihrer Entstehung regiert. Natürlich wird auch die Pistolenindustrie von Ramon Durano Sr. kontrolliert, einem Kriegsfürsten und Königsmacher, der einst zu Marcos mächtigsten und am meisten gefürchteten Unterstützern zählte. Zwei Jahrzehnte lang sammelten die Duranos Jahr für Jahr und Wahl für Wahl zuverlässig Stimmen für den Diktator. Bei den Präsidentschaftswahlen 1986 kamen dabei 20.000 Stimmzettel mehr zusammen, als Danao Einwoher hat, sagt die staatliche Wahlkommission. Seit Marcos erzwungenem Abgang hat die Aquino–Administration alle erdenkliche Anstrengung unternommen, dieser Art von „politischer Infrastruktur“ den Garaus zu machen. Tausende von Bürgermeistern und lokalen Regierungskadern wurden gefeuert. Nicht so in Danao. Hier blieben der jetzt 82jährige Durano und die traditionelle rechtslastige Politik, für die er steht, unangetastet. Sein Sohn Ramon Durano III kandidiert wie in alten Zeiten für den Congress und benutzt als Wahlslogan selbstverständlich die „kommunistische Bedrohung“. Der alte Durano, ein rabiater Antikommunist, setzt alles daran, die Aquino–treue Konkurrentin seines Sohnes als Kommunistin zu denunzieren. Die Führer der zahlreichen paramilitärischen Vigilante–Gruppen haben sich in Danao mit Waffen eingedeckt und ebenfalls erklärt, sie würden linke Kandidaten samt ihren kommunismusverdächtigen Unterstützern bekämpfen. „Irgendwo müssen die Waffen ja bleiben“, sagt dazu Rex Fernandez von der linksunabhängigen Volkspartei PNB. Das Militär auf der anderen Seite sieht keine Möglichkeit, den florierenden Waffenhandel einzudämmen. Sagt Regionalkommandeur Brigadegeneral Abenina: „Jede Seite glaubt, sie müsse sich zur Selbstverteidigung bewaffnen. Es herrscht eine Balance des Terrors.“ Und für die Waffenschmiede sei das Handwerk ohnehin keine politische Aktivität, sondern schlicht eine Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. „Wir können vielleicht den Markt durch die Einführung von Seriennummern kontrollieren, aber die Betriebe schließen, das ist unmöglich.“ Das findet auch der Möchtegernabgeordnete Durano Jr. und tritt deshalb gleich für eine Legalisierung der Hinterhofindustrie ein. Eine „ganz neue Idee“, wie er betont. Weder seine Mutter, die der Stadt von 1956 bis 1971 als Bürgermeisterin vorstand, noch sein Bruder, der ihr nachfolgte, seien je darauf gekommen. Der Kurs der neuen Regierung in Manila beunruhigt ihn dabei nicht im geringsten. „So sehr verschieden sind sie gar nicht von Marcos. Es ist mehr wie der Unterschied zwischen den Rockefellers und den Kennedys“.