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Burt warnt vor Gorbatschows Taktik

■ US–Botschafter fordert Widerstand gegen Gorbatschows Abrüstungsvorschläge / Shultz in Moskau / UdSSR stoppte C–Waffen–Produktion

Berlin/Prag (afp/taz) - Während SPD–Präsidiumsmitglied Egon Bahr in Gorbatschows jüngstem abrüstungspolitischen Vorschlag eine „historische Chance“ sieht, die Schatten der atomaren Bedrohung von Mitteleuropa zu nehmen, und Regierungssprecher Herbert Schmülling ankündigt, man werde die Vorschläge „aufmerksam prüfen“, hebt der US–Botschafter in Bonn, Richard Burt, schon den warnenden Zeigefinger. Gorbatschow hatte am Freitag in Prag vorgeschlagen, ab sofort die Frage der „Reduzierung und nachfolgenden Liquidierung“ der Raketen mit kürzerer Reichweite (500 bis 1.000 km) zu erörtern, um den Abschluß der Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen zu erleichtern. Überdies gab der sowjetische Parteichef die Einstellung der Produktion von chemischen Waffen in seinem Land bekannt und kündigte den Bau einer Spezialanlage an, in der die sowjetischen Lagerbestände an C–Waffen vernichtet werden sollten. Bereits am Samstag meldete sich Burt aus Berlin zu Wort. Vor der deutsch–amerikanischen Atlantik–Brücke–Konferenz warnte er eindringlich vor einer Null–Lösung. Die Sowjets könnten „sehr wohl bereit sein, ihre Kurzstreckensysteme aufzugeben und sich auf ihre Überlegenheit im konventionellen Bereich zu verlassen, um einen atomwaffenfreien Kontinent zu beherrschen“. Das Angebot Gorbatschows könnte „der erste bewußte Schritt einer Strategie sein, der NATO ihre nukleare Abschreckung zu entziehen und somit Europa den überlegenen konventionellen Streitkräften der Sowjets als Geisel“ zu überlassen. Burt forderte dazu auf, dem sowjetischen Drängen auf ein atomwaffenfreies Europa Widerstand entgegenzusetzen. Die Sicherheit des Westens werde sich auch künftig auf nukleare Abschreckung und flexible Reaktion und damit auf den nuklearen Schirm der USA verlassen müssen. Fortsetzung auf Seite 2 Siehe Tagesthema auf Seite 3 US–Präsident Reagan meldete sich aus Los Angeles zum Thema. Zwar begrüßte er Gorbatschows Vorschlag grundsätzlich, doch bestand er darauf, daß die Frage der Kurzstreckenwaffen Teil der angestrebten Vereinbarung über einen Abzug der Mittelstreckenwaffen aus Europa sein müsse. Der Kreml–Chef hatte sich für parallele Verhandlungen ausgesprochen, eine direkte Verknüpfung aber abgelehnt. US–Außenminister George Shultz wird heute in Moskau eintreffen, um über ein mögliches Abkommen über den Abzug der atomaren Mittelstrec kenraketen aus Europa zu beraten. In der BRD hat Gorbatschows neueste Initiative unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. SPD– Präsidiumsmitglied Egon Bahr sprach von einer „Perspektive zu einem Durchbruch“. Der SPD– Fraktionsvorsitzende Hans Jochen Vogel warnte den CDU/ CSU–Fraktionschef Alfred Dregger und den „Stahlhelm–Flügel“ der Union vor weiterer Obstruktion gegen den vollständigen Abzug der amerikanischen und sowjetischen Mittelstreckenraketen aus Mitteleuropa. Der FDP–Fraktionsvorsitzende Wolfgang Mischnick sieht gute Chancen für eine Null–Lösung bei den Mittelstreckenraketen noch in diesem Jahr.

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