Mexikos Goethe–Institut im Visier der GEW

■ Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) reichte Verbandsklage gegen das Goethe–Institut ein. In Mexiko erpreßte das Institut - offenbar auf Drängen des Auswärtigen Amtes in Bonn - seine Mitarbeiter, Löhne unterhalb des BAT–Niveaus zu akzeptieren

Berlin (taz) - Schuld tragen in gewisser Weise mexikanische Richter, wenn nun die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gerichtlich gegen das Goethe–Institut zu Felde zieht. Der Hauptvorstand der GEW hat am Montag beim Arbeitsgericht München eine Verbandsklage gegen das für die deutsche Kulturarbeit im Ausland zuständige Institut erhoben, um dieses zur Einhaltung eines für ortsansässige deutsche Mitarbeiter im Ausland abgeschlossenen Tarifvertrags zu verpflichten. Dem Rechtsstreit, dem eine weitreichende Bedeutung zukommen könnte, liegt eine vierjährige Auseinandersetzung im Goethe– Institut von Mexiko zugrunde. Dort hatte sich nach dem drastischen Kursverfall der Landeswährung 1982 die Schere zwischen mexikanischen Mitarbeitern, die vom Auswärtigen Amt nach ortsüblichen Tarifen bezahlt wurden, und deutschen, die nach Bundesangestelltentarif (BAT) entlohnt wurden, rapide ausgeweitet. Die „Weißen“ wurden auf DM–Basis ausbezahlt, die „Braunen“ auf der Basis des mexikanischen Peso. Die Presse sprach unverhüllt von Rassismus. Als das Goethe–Institut im Februar 1983 fünf Lehrern überraschend ihre Kündigung aushändigte, verpflichtete ein mexikanisches Ge richt die Institutsleitung zur Wiedereinstellung der Geschaßten, weil das Kündigungsverfahren nicht formgerecht abgelaufen war. Darüber hinaus stellten die Richter fest, daß sich das Goethe– Institut an die mexikanischen Gesetze zu halten habe, die für gleiche Arbeit gleichen Lohn vorsähen. Noch während das Verfahren lief, schickte die Münchner Zentrale des Goethe–Institutes ein Telex nach Mexiko, in dem die Schließung des dortigen Instituts angedroht wurde. Die Sache wurde publik, und bald konnte man den Protest gegen die beabsichtigte Schließung in den Inseraten der mexikanischen Gazetten lesen. Trotz des Gerichtsurteils, das gleiche Bezahlung für deutsche und mexikanische Mitarbeiter forderte, wurde das Institut nicht geschlossen. Doch die Institutsleitung gab nicht klein bei. Statt die Löhne der mexikanischen Mitarbeiter auf BAT–Niveau anzuheben und so der mexikanischen Gesetzgebung Genüge zu tun, setzte sie im Frühjahr 1986 offenbar auf Verlangen des Auswärtigen Amtes in Bonn dem deutschen Teil des Lehrerkollegiums die Pistole auf die Brust: Entweder stiegen alle individuell aus dem Tarifvertrag aus oder die Sprachabteilungen würden geschlossen. Als sich die Betroffenen dieser Erpressung nicht beugten und die Unterschrift verweigerten, flatterten ihnen im April des vergangenen Jahres die Kündigungsschreiben ins Haus. Mit Unterstützung der GEW erhoben sie Kündigungsklage. Doch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bewog dann doch die meisten, noch bevor ein Urteil in der Streitsache verkündet wurde, Abfindungen und neue Verträge zu akzeptieren. Die neuen Gehälter der deutschen Lehrer liegen nun im Durchschnitt etwa 30 Prozent tiefer als die alten. Mit der Verbandsklage in München will der GEW–Vorstand eine Grundsatzentscheidung erreichen. Denn „wenn dieser Akt eines willkürlichen Ausstiegs aus tarifvertraglichen Vereinbarungen Schule macht“, kommentierte der GEW–Vorsitzende Dieter Wunder, „dann sind in absehbarer Zeit Tarifverträge das Papier nicht mehr wert, auf das sie geschrieben werden.“ thos