Südafrikas Gewerkschaften machen mobil

■ Streiks der Eisenbahner und Postangestellten legen weite Teile staatlicher Dienstleistungen am Kap lahm / Bomben– und Brandanschläge auf Vorortzüge von Johannesburg / Auch Redakteure der drittgrößten Zeitung Südafrikas streiken

Johannesburg/Durban (wps/ taz) - Nach Miet–, Schul– und Konsumentenboykotten ist Südafrikas Protestlandschaft jetzt um ein weiteres Streitobjekt erweitert worden. Seit in den vergangenen fünf Tagen insgesamt 50 Waggons der staatlichen Eisenbahngesellschaft SATS bei Brandanschlägen in Flammen aufgingen, gehen Hunderttausende von schwarzen Pendlern aus der schwarzen zweieinhalb Millionenstadt Soweto zu Fuß zur Arbeit ins benachbarte Johannesburg. Vergeblich bemühen sich private Busunternehmer und die rund 4.000 Sammeltaxis, das Chaos zu bewältigen, aber - so ein Sprecher der „Public Utilities Transport“ - „um mit einer solchen Situation fertig zu werden, haben wir in ganz Südafrika nicht genug Busse. Schon planen Militär und Polizei einen Großeinsatz über das kommende Wochenende, um wenigstens den Osterverkehr heil über die Bühne zu bringen“. Denn eines soll auf gar keinen Fall passieren: daß der zur Zeit noch auf den Großraum Johannesburg beschränkte Konflikt drei Wochen vor den wichtigen Wahlen im Mai in den unter dem Ausnahmezustand mühsam „befriedeten“ Townships wieder zu größeren Aufständen führt. Dabei begann die Affaire vor fünf Wochen ganz harmlos. Ein schwarzer Schaffner wurde gefeuert, weil er die Tageseinnahmen in Höhe von umgerechnet 40 Mark erst am folgenden Werktag in der Zentralkasse abgeliefert hatte. Als die Eisenbahngesellschaft seinen Argumenten, daß die Kasse bei Schichtende geschlossen gewesen sei, keinen Glauben schenkte, traten Kollegen aus Solidarität mit dem Entlassenen in Streik und der Ausstand breitete sich schnell in ganz Johannesburg unter Eisenbahnern, Bus– und LKW–Fahrern aus. Anstatt den Anlaß nun unauffällig aus der Welt zu schaffen, sattelte der südafrikanische Transportminister Eli Louw noch eins drauf, indem er sich weigerte, mit der Gewerkschaft des gefeuerten Schaffners, der schwarzen South African Railways and Harbours Workers Union (SARWHU), in Verhandlungen zu treten. Sein Argument: die dem radikalen COSATU– Dachverband angehörende Organisation wolle nur die politische Gewalt aus den Townships an die Arbeitsplätze tragen. Wenn überhaupt, so werde man mit der gemäßigteren Black Trade Union (BLATU) reden. Daraufhin weitete sich der Konflikt binnen kurzem zu einer grundsätzlichen Machtprobe zwischen den beiden Gewerkschaften aus. Seit über einem Monat sind 20.000 SATS–Beschäftigte im Streik, ein Ende ist nicht in Sicht. Anfang der Woche erhielt der Ausstand eine neue Qualität, als plötzlich die noch verkehrenden der ursprünglich 800 täglichen Eisenbahnzüge in Johannesburg zu Dutzenden in Brand gesteckt wurden. Mal wurde auf offener Strecke in vollbesetzten Waggons gezündelt, mal in den Bahnhöfen. Regelmäßig brach in den letzten Tagen der Verkehr zusammen, wenn die Feuerwehr den Strom in den Bahnhöfen abschaltete, um brennend einfahrende Waggon zu löschen. Wie durch ein Wunder wurde bislang niemand ernsthaft bei den Anschlägen verletzt, der bisher entstandene Sachschaden wird allerdings auf runde 25 Mio. Mark geschätzt, und am Mittwoch wurden erstmals auch leerstehende Waggons auf für Weiße reservierte Bahnhöfe in Brand gesteckt. Das Management, dem die Kontrolle über die Ereignisse weitgehend entglitten ist, macht SAHRWU für die Anschläge verantwortlich und droht mit der Entlassung aller organisierten schwarzen Arbeiter. Zur Not, so ein Sprecher, werde man die widerborstigen Kollegen durch arbeitslose Weiße ersetzen. Doch derartige Äußerungen scheinen die gespannte Stimmung nur noch mehr anzuheizen. So ging die Poli zei am Mittwoch gegen eine Menschenmenge vor, die spontan mit Benzinbomben bewaffnet auf einen Bahnhof zumarschierte. Auch in anderen Branchen gärt es. Die ebenfalls seit Wochen streikenden 7.000 Beschäftigten der Post und Telekommunikationsdienste wollen in den nächsten Tagen auf Vollversammlungen über eine Ausweitung des Ausstandes auf andere Landesteile abstimmen, nachdem der zuständige Minister am Donnerstag laut über die Einführung einer „no work - no pay“ (kein Geld, wenn nicht gearbeitet wird) -Regel nachdachte. Öl aufs Feuer ist auch die gegen den Metallerführer Moses Mayekiso erhobene Hochverratsklage. Als erster Gewerkschafter ist er angeklagt, in dem schwarzen Township Alexandra bei Johannesburg sogenannte Volksgerichtshöfe und Straßenkomitees organisiert zu haben. Ebenfalls seit Donnerstag befinden sich alle Redakteure und Reporter der drittgrößten Zeitung Südafrikas im Ausstand. Sie protestieren gegen den Verkauf der bislang im Besitz des weißen Argus–Verlages befindlichen Zulu– sprachigen Zeitung Ilanga, „Die Sonne“, an die reaktionäre Inkatha–Organisation des Homeland– Chefs und Zulu–Häuptlings Mangosuthu Buthelezi. Dieser dagegen feierte den Verkauf als „historisches Ereignis“, das „den Schwarzen Südafrikas zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ihr eigenes Sprachrohr“ gebe. Wie am Mittwoch bekanntgegeben wurde, soll die Kontrolle der mit einer Auflage von etwa 100.000 bei mehr als einer Million Lesern zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung rückwirkend zum 1. April an die Inkatha– Firma „Mandla–Matla“ übertragen werden. Die 21 streikenden schwarzen Journalisten wollen dagegen lieber bei dem weißen Verlag beschäftigt bleiben oder sich anderweitig Arbeit suchen. Sie prote stieren nicht nur gegen die Tatsache, daß sie beim Verkauf der Zeitung durch das Verlagshaus nicht konsultiert wurden. Vor allem fürchten sie um ihr Leben. Die seit fast zwei Jahren in den schwarzen Townships der Provinz Natal anhaltenden, blutigen Kämpfe zwischen konservativen Inkatha–Unterstützern und Anhängern der links–oppositionellen „Vereinigten Demokratischen Front“ (UDF) haben sich seit Anfang des Jahres erheblich verschärft. Für Journalisten, die direkt mit Inkatha identifiziert werden, ist die Arbeit in den Townships fast unmöglich. W. Claiborne/P. Laurence/Hans Brandt