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Auf der Flucht

■ Immer neue Ausflüchte der Union zur Abrüstung

Dr.Kohl, Inhaber der Richtlinienkompetenz der bundesdeutschen Politik, erinnere ihn, so der Abgeordnete der Grünen Otto Schily in der gestrigen Raketendebatte, fatal an Dr. Kimble auf der Flucht. In der Tat haben die Vorturner der Union seit dem sowjetischen Vorschlag, alle Mittelstreckenraketen in Europa zu verschrotten, außer Ausflüchten nichts zu bieten gehabt. Angefangen von der angeblich nicht ausreichenden Information bis hin zu Abstimmungsproblemen im Bündnis war keine Ausrede schlecht genug, um einer definitiven Festlegung auszuweichen. Verbrämt wird diese Hinhaltetaktik mit einem ganzen Bündel sich zum Teil widersprechender militärtechnischer Argumente, die alle nur ein Ziel erkennen lassen: ein möglichst großes Potential an Atomwaffen beizubehalten. Warum diese Blockade? Die angebliche Angst vor den bösen Russen ist selbst in weiten Teilen der Union nicht mehr glaubwürdig. Einen Fingerzeig, was die Strategen innerhalb der Union wirklich bewegt, ergab sich aus der Aufgeregtheit um die militärisch belanglosen Pershing 1a–Raketen der Bundeswehr. In dieselbe Richtung weisen die Kulissengespräche zwischen Bonn, Paris und London. Die Union hat Angst, daß für sie die Tür in Richtung atomarer Mittelmacht, die seit langem bereits einen Spalt breit geöffnet ist, durch ein Übereinkommen der Supermächte wieder geschlossen wird. Tatsächlich geht es weder um Abrüstung noch um Frieden. Die Union träumt ihren Traum von deutscher Großmachtpolitik. Deshalb der Dissens mit den USA, deshalb die Angst vor Gorbatschows Abrüstung. Jürgen Gottschlich

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