Weltmacht Deutsche Bank

■ Kleine radikale Minderheit stört die Erfolgsfeier der ersten Garde der Nadelstreifen / Von Ulli Kulke

Zwölf Mark Dividende plus 5 DM Sonderbonus als Ergebnis des besten Geschäftsjahres seit Bestehen der Bank präsentieren die Vorstandssprecher der Deutschen, Christians und Herrhausen, ihren Aktionären bei der heutigen Jahreshauptversammlung in Berlin. Daß es trotzdem zu Kritik kommt, liegt an der Gruppe „Kritischer Aktionäre“, die sich vor allem am Geschäftsgebaren der Deutsch–Banker gegenüber den Schuldnerländern der „Dritten Welt“ stört. Statt Dividende, so die Kritiker, soll man lieber die Schulen dieser Länder erlassen.

Understatement und Verschwiegenheit - das sind die Tugenden, die stets den Managern der Deutschen Bank nachgesagt werden. Eine große Portion Gelassenheit muß den Herren der Weltranglisten–Achten zusätzlich attestieren, wer ihren Umgang mit der Weltschuldenkrise und dem allerorten prognostizierten großen Crash betrachtet. Die Gelassenheit hat einen historischen Hintergrund. Weshalb sollte unter den Nadelstreifen Herzklopfen aufkommen, man hat schließlich schon ganz anderes mitgemacht. Seit ihrer Gründung 1870 war das Haus im Auslandsgeschäft engagiert, seinerzeit noch offiziell „Kolonialherrschaft“ tituliert. Bereits 1872 eröffnete man in Shanghai eine Filiale, Beteiligungen an Bankenkonsortien in Übersee folgten. Als die von der Deutschen Bank mitfinanzierte Bagdadbahn das Osmanische Reich in die Zahlungsunfähigkeit trieb, ging man schadlos daraus hervor. Kam es dann doch mal zu einem weltweiten Banken–Krach wie 1929, so konnte man sich durch Fusionen letzten Endes gar als die Nr.1 im Reich mausern. Wen erschrickt es da noch, daß die Deutsche Bank schätzungsweise zwischen sieben und acht Milliarden DM an die inzwischen fast durchweg zahlungsunfähigen Entwicklungsländer verliehen hat (ohne OPEC–Staaten; über konkrete Zahlen schweigt sich die Bank selbst aus). Die bundesdeutschen Banken insgesamt sind relativ „vorsichtig“ gewesen in der Kreditvergabe an die Entwicklungsländer während der 70er Jahre: Mit 23 Milliarden US–Dollar (an OPEC– und Nicht–OPEC– Entwicklungsländer) hat man nach Angaben der Deutschen Bun desbank lediglich sechs Prozent der Bankenkredite aus den Industrieländern (insges. 383 Milliarden) vergeben. Die Bundesrepublik steht damit nicht nur hinter den USA, deren Banken allein zwei Fünftel der Gesamtsumme bestreiten, sondern auch hinter den Japanern, Briten, Franzosen und Kanadiern. Dies muß die Herren in den Frankfurter Bank–Türmen nicht traurig stimmen. Der Verschuldungsexperte Alexander Schubert hat Ende vergangenen Jahres errechnet, daß die bundesdeutschen Banken auf ihre Dritte– Welt–Kredite unabhängig von der Kreditrückzahlung einen jährlichen Zinsertrag in Höhe von 10,5 Milliarden DM erwirtschaften. Schubert geht davon aus, daß grob gerechnet ein Drittel davon auf die drei Großbanken Deutsche, Dresdner und Commerzbank entfallen, also 3,5 Milliarden DM. Dies entspreche genau dem „Betriebsergebnis“ dieser Häuser. Würden die Dritte–Weltländer alle ihre Zinszahlungen einstellen, so hätten die Großbanken nach dieser Rechnung also im Durchschnitt keinen Jahresgewinn mehr zu verbuchen - nicht mehr und nicht weniger. Da im vergangenen Jahr die Gewinne gerade der Großbanken explodiert, die erwarteten Zinseinnahmen jedoch durch Zinssatz– und Dollarverfall kaum gestiegen sind, sollten sich etwa ausbleibende Zinseinnahmen noch leichter auf die Gewinne anrechnen lassen. Anders sieht dieses Verhältnis bei den US–Banken aus. Bei vielen fällt schon die Bezugsgröße Gewinn völlig weg, da nicht vorhanden. Die Kreditvergabe an die Schuldnerländer spielt im Geschäftsvolumen der US–Banken eine weit größere Rolle. Die Manufacturers Hanover Trust z.B. und mit ihr andere Institute verlören das Doppelte ihres Eigenkapitals, wenn nur die fünf größten lateinamerikanischen Schuldnerländer ihre Zinszahlungen einstellen. Dabei waren die bundesdeutschen Banken in den letzten Jahren noch kräftig darum bemüht, ihr ohnehin geringeres Risiko noch weiter zu minimieren. Allen voran auch hier die Deutsche Bank, deren Gewinn mehr als doppelt so hoch wie bei der nächstgrößten Dresdner und über dreimal so hoch wie bei der Commerzbank ausgefallen ist. Die Deutschbanker haben aus Jahresüberschüssen inzwischen die gigantische Summe von 11,9 Milliarden DM für die Risikovorsorge zurückgelegt, die - versteht sich - nicht versteuert zu werden brauchen. Für „ungesicherte Forderungen in gefährdeten Ländern“, die das Haus auf 6 Milliarden DM taxiert, hat man einen Posten von 4,2 Milliarden DM auf der hohen Kante. Da läßt es sich ruhig schlafen. Was allerdings für einen Bankengewinn verkraftbar wäre, treibt verschuldete Länder in die Zahlungsunfähigkeit. Da läßt es sich indes auch gut vorpreschen in Sachen medienwirksamer Lösungsansätze, die allerdings mit notwendigen grundsätzlichen Bereinigungen nichts zu tun haben. Schon gibt es neben dem vielzitierten „ Baker– Plan“ einen Vorschlag, der den Namen des jungdynamischen Chefs der Deutschen Bank, Herrhausen trägt: Begrenzung der Zinsen für die Dritte–Weltländer für den Fall, daß das Weltzinsniveau wieder steigt. Auch denkt man über Umwandlung eines Teils der Schulden in Unternehmensbeteiligungen in den Ländern nach. Die im Vergleich zu den US– Häusern größere Konzessionsbereitschaft bundesdeutscher Banken, die sich jüngst auch beim Fall des brasilianischen Zinsmoratoriums zeigte, ist jedoch nicht nur aus ihrer günstigeren Position heraus zu erklären. Das bundesdeutsche Universalbankensystem hat die hiesigen Kreditinstitute stärker mit der Exportwirtschaft verflochten, als das in den USA aufgrund der dort sehr rigiden Bankengesetzgebung möglich ist. Aufgrund ihres Besitzes von und des Handels mit Aktien aller großen Konzerne sowie der Exportkreditvergabe haben sie ein originäres Interesse daran, daß die BRD als frischgebackene Welt– Exportnation Nr.1 in dieser Position verbleibt. Und dafür ist die Zahlungsfähigkeit der Dritte– Weltländer nun mal unerläßlich.