Die Schlinge ums Weiße Haus wird enger

■ Eine Zwischenbilanz nach zwei Wochen Irangate–Hearings / Sonderankläger Lawrence Walsh sagt, er ermittelt „nicht nur zur Übung“ / Die bisherigen Vernehmungen verwickeln Präsindent Reagan immer heftiger in die Spendenbeschaffung für die Contra

Aus Washington Stefan Schaaf

An Ronald Reagans Arbeitstag hat sich auch durch den Beginn der Irangate–Hearings nichts verändert. Der 76jährige steht nach wie vor um sieben Uhr morgens auf, frühstückt mit Nancy und begibt sich gegen neun ins Oval Office. Wie ein braver Beamter kommt er um fünf Uhr nachmittags „nach Hause“, liest noch eine Stunde Papiere, und ab sechs strampelt er entweder auf seinem Trimm–Rad oder stemmt Gewichte. Ab sieben, nach dem Abendessen, sitzt er vor dem TV und zieht sich erst die Nachrichten und dann noch zwei, drei Stunden andere Programme rein, bevor er in seinen wohlverdienten Schlaf sinkt. Daß seit zwei Wochen im Kongreß seine bisher größte politische Krise in stundenlangen Frage– und–Antwort–Spielen akribisch seziert wird, beeindruckt Reagan wenig. Nein, er schaue den Hearings nicht zu, meinte er Anfang der Woche, und einige Tage später sagte er zu Reportern, daß er auch keine Fragen beantworten wolle, bis er endlich genau erfahre, was eigentlich wirklich passiert sei. Einzig auf die von seinem früheren Sicherheitsberater McFarlane geäußerte Vermutung, es sei Reagan zu verdanken, daß der saudische Konig Fahd 1985 den Contras über eine vom Kongreß verordnete Dürreperiode hinweggeholfen habe, reagierte Reagan mit einer Antwort. Sie lautete knapp: „Nein!“ Schließlich hat sich Reagan bisher auf den Standpunkt gestellt, über die Finanzquellen der Contra völlig uninformiert gewesen zu sein. Daß Oliver North vom Weißen Haus aus private Spenden in Millionenhöhe und Zuwendungen ausländischer Potentaten auf deren Konten leitete, sei ihm entgangen. Niemand weiß genau, was im Februar 1985 in jenem Gespräch zwischen dem saudischen Monar chen und Reagan gesagt wurde, zu dem Fahd vom Präsidenten in die privaten Gemächer des Weißen Hauses gebeten wurde. Inzwischen, nach anfänglichem Dementi, hat Reagan zumindest zugeben müssen, daß Fahd ihn auf die Antisandinisten angesprochen habe. Wenn sich außerdem herausstellen sollte, daß es nicht Fahd, sondern Reagan war, der das Gespräch auf die Contra brachte, und daß er womöglich dezent darauf hinwies, daß man für das von Saudi–Arabien gewünschte Waffenpaket vielleicht eine Gegenleistung erwarten dürfe, stehen ihm abermals Schwierigkeiten ins Weiße Haus. Hintermann Secord Einstweilen gehen die Medien noch duldsam mit dem Präsidenten und den neuen Erkenntnissen über seine Rolle bei der Finanzierung der Contra während des Hilfe–Stopps zwischen 1984 und 1986 um. Zu lückenhaft ist das, was die Aussagen von Richard Secord und Robert McFarlane bisher ergeben haben, zu groß ist die Spannung auf die Vernehmungen von Admiral Poindexter, McFarlanes Nachfolgers als Sicherheitsberater, und Oliver Norths, die noch vier Wochen auf sich warten lassen werden. Obwohl die Dramaturgie des Untersuchungsausschusses zu wünschen übrig läßt und die Reihenfolge der Hauptakteure unbegreiflichen Regeln folgt, bot vor allem Secords Auftritt spannende Momente. Er war zuvor der Mann im Dunkeln gewesen, der mysteriöse kommerzielle Hintermann Oliver Norths. Secord hatte die für die Ayatollahs bestimmten Waffen von der CIA erworben, ihren Transport in den Iran organisiert und zusammen mit seinem Geschäftspartner Albert Hakim den Preis festgelegt, den Khomeinis Mittelsmann Ghorbanifar dafür bezahlen sollte. Gleichzeitig komman dierte er die Nachschub–Luftbrücke für die Contras und finanzierte sie mit dem Unterschied zwischen dem von der CIA geforderten und dem von Ghorbanifar bezahlten Preis für die Iran–Waffen. Mit Reagan habe er selbst in all der Zeit nie gesprochen, sagte Secord vor dem Ausschuß, doch North habe ihm gegenüber scherzhaft erwähnt, er habe zu Reagan gesagt, daß es doch belustigend sei, wie der Ayatollah die Contra finanziere. Während Secord sich von Reagan und der Führung seiner Administration, die versäumt habe, die Operation offensiv zu verteidigen, im Stich gelassen fühlte und aus seiner Bitterkeit keinen Hehl machte, präsentierte McFarlane sich als Verteidiger von Reagans Integrität. Immer wieder betonte er, daß dem Präsidenten kein Vorwurf gemacht werden könne, und wiederholt bot er an, selbst die politische und auch die strafrechtliche Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen. Streit um die Immunität McFarlanes - und Secords - Verhalten juristisch zu beurteilen, bleibt nun, nach dem Abschluß seiner Befragung durch den Untersuchungsausschuß, dem Sonderankläger Lawrence Walsh vorbehalten, der unweit des Kongreßgebäudes seine eigenen Ermittlungen führt und bereits in zwei Fällen Anklage erhoben hat. Die Interessen des Sonderanklägers und des Untersuchungsausschusses gehen dabei auseinander, Walsh möchte möglichst wenigen Akteuren der Affaire Immunität gewähren, während die Senatoren und Repräsentanten bei einigen Zeugen keinen Weg sehen, anders an deren Aussagen zu kommen. Insgesamt 15 Personen wurde bisher Straffreiheit für alle Missetaten, die sie vor dem Ausschuß preisgeben, gewährt, als wichtigste ist darunter Admiral Poindexter. Walsh hatte sich ursprünglich bereiterklärt, auch Oliver North Immunität zuzugestehen, nachdem er zuvor eine Anklage gegen ihn zusammengestellt habe, doch änderte er in der vergangenen Woche seine Position ins Gegenteil. Walshs Strategie geht vom Straftatbestand des „betrügerischen Vorenthaltens und Zweckentfremdens von Regierungsmitteln“ (“Defrauding the government“) aus. Schuldig hätte sich danach etwa jeder gemacht, der von dem Waffenhandel zwischen den USA und dem Iran profitiert hat. Die beiden bereits erhobenen Anklagen richten sich gegen den konservativen „Fundraiser“ Carl R. Channell, der seit April 1985 mehr als zwei Millionen Dollar Spenden für die Contra gesammelt hatte, obwohl dies nicht zu den öffentlich verkündeten Aufgaben seiner Organisation, des „National Endowment for the Preservation of Liberty“, gehörte, die zu jener Zeit Steuerfreiheit genoß. Channell, der sich schuldig bekannte, sagte dabei aus, North „und weitere“ hätten davon gewußt. Richard Miller, Chef einer Washingtoner Public–Relations– Firma, ist einer von diesen „weiteren“, und er bekannte sich gleichfalls schuldig, in illegaler Weise Spenden für die Contra gesammelt zu haben. Channell arrangierte insgesamt sieben Treffen zwischen reichen Spendern und Präsident Reagan, wobei er einem damaligen Assistenten Reagans, David Fischer, für dessen Hilfestellung monatlich 20.000 Dollar zahlte. Fischer hatte diesen Job zwar im April 1985 gekündigt und in der Folge bei Channells privater Organisation angeheuert, doch behielt er seine Zutrittsgenehmigung für das Weiße Haus bis zum November vergangenen Jahres. Sonderankläger Walsh, ein absolut korrekter und bis ins letzte penibler Jurist, sagte in einem seiner seltenen Interviews, er ermittle „nicht nur zur Übung“. Wie eng er seine Schlinge bereits ums Weiße Haus gezogen hat, will er aber nicht verraten.