Waldheim distanziert sich pflichtgerecht

■ Im Fernsehen gab der österreichische Bundespräsident „Fehler bei der Einschätzung seiner eigenen Vergangenheit“ zu

Wien (taz/ap) - Die USA–Reise des österreichischen Bundeskanzlers Franz Vranitzky am Dienstag sowie die erneut aufgeflackerte Diskussion um seine Vergangenheit haben den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim dazu gebracht, sich am Dienstag via Fernsehen ans Volk zu wenden. Zunächst wies er erneut daraufhin, daß Beweise für schuldhaftes Verhalten seinerseits immer noch fehlten, räumte dann jedoch ein, daß er die Reaktionen des Auslands unterschätzt habe. „Ich bedauere zutiefst jene Untaten des Balkankrieges, auch wenn ich an ihnen keinen Anteil hatte“, erklärte er. Zu seiner oft zitierten Bemerkung, er habe nur seine Pflicht erfüllt, sagte er: „Nur sehr wenige haben es geschafft, diese Fesseln des Zwangs zu sprengen, unter dem Risiko, dafür ihr eigenes Leben einzubüßen. Ich habe nicht dazu gehört.“ Zur NS– Zeit allgemein erklärte er: „So sehr ich als Österreicher darauf bestehe, daß es für ein Volk keine kollektive Schuld geben kann, so sehr weiß ich, daß es so etwas wie eine schwere gemeinsame Erbschaft gibt, der sich niemand entziehen kann.“ Mit den „unfaßbaren Verbrechen“ könne man sich nicht abfinden. „Aussöhnung kann letztlich nur vom Opfer begonnen werden“. In ersten Reaktionen äußerte sich die österreichische Presse zufrieden und erleichtert über die „klaren Worte“ des Bundespräsidenten. Keller von der SPÖ fragte eher skeptisch, ob mit dieser Rede Waldheims in– und ausländische Kritiker zufrieden gestellt würden, zumal Waldheims These, daß auf dem Weg zur Versöhnung die Opfer den ersten Schritt zu machen hätten, unterschiedlich interpretierbar sei. Ähnlich distanziert reagierte die Grünen–Chefin Meissner–Blau. Haider von der FPÖ sah gar die Waldheim–Wähler desavouiert. Einen Reue– Waldheim hätten die ja nicht gewollt. ÖVP–Generalsekretär Graff war voll des Lobes über den „mutigen Schritt“ des Präsidenten. Nun seien alle Zweifel beseitigt. Michael Schmidt